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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 108<br />

der Menschheitsgeschichte. Diese Ambivalenz setzt sich bis heute <strong>for</strong>t.<br />

Die Widersprüchlichkeit in Bachofens Werk und die auf 1000 Seiten dargestellte<br />

Mutterrechtsidee läßt jeden, der es will, auch seine eigenen Vorstellungen verwirklicht<br />

sehen, so kam auch ein Gemisch aus Utopie und Göttinnenkult, das bis<br />

heute in den Köpfen mancher herumgeistert, zustande.<br />

2.2.1 Spätere Interpretationen des ” Mutterrechts“<br />

Mit Sicherheit kann gesagt werden, Bachofen war nicht der Entdecker des Matriarchats<br />

– das hat es nie gegeben –, er selbst hat den Begriff nie verwendet.<br />

Es gab Matriarchatsmythen, welche von ihm zusammengefaßt und interpretiert<br />

worden sind. Nach Uwe Wesel hat Bachofen mit der Identifizierung von Mythos<br />

und Logos, von Legende und Geschichte einen neuen Mythos geschaffen, dessen<br />

Inhalt die sittliche und geistige Überlegenheit der Männer war, welche sich nach<br />

langen Kämpfen ” endlich“ gegen die kultische Überlegenheit der Frauen durchgesetzt<br />

habe. Damit hat Bachofen die objektive Funktion der Männerherrschaft<br />

seiner Zeit zu legitimieren versucht, wie es auch die antiken Schriftsteller vor ihm<br />

taten. Bachofen war ein Mytheninterpret, aber auch ein Mythenproduzent. Er war<br />

zwar unbewußt, aber sicher nicht ein unschuldiges Werkzeug dieser Wiedergeburt<br />

eines Mythos zur Erklärung einer bestimmten Sozialorganisation. 154 Gerade sein<br />

Mythos über die Herrschaft der Frauen in der Familie und im Staat sollte noch<br />

weit ins 20. Jahrhundert weitertradiert werden, die Inhalte sind bis heute nicht<br />

verschwunden. Die Bezeichnung ” Matriarchat“, Herrschaft der Mütter, wird weder<br />

von Bachofen noch von Morgan oder Engels gebraucht. Sie ist erst später<br />

aufgekommen. 155<br />

Was blieb von Bachofens Vorstellungen? Vieles war falsch und hielt einer historischen<br />

Nachprüfung nicht stand. Es gab keine Gynaikokratie oder Matriarchat und<br />

keine derartige allgemeine Kulturstufe der Menschheit. Die Fehlinterpretationen<br />

und Übertreibungen im ” Mutterrecht“ und der ” amazonischen Ausartung“, die<br />

in den Mythen geschildert werden, hatten und haben nichts mit der Wirklichkeit<br />

zu tun. Fragmente seines Werkes haben aber nicht ihre Bedeutung verloren, vor<br />

allem das Interesse an <strong>Gesellschaften</strong> ohne Patriarchat – im antiken Ägypten,<br />

Kreta und Lykien –, die auf Matrilinearität und teilweise Matrilokalität beruhen,<br />

war und ist entscheidend für sein Werk. Durch McLennan und Morgan schien der<br />

verblüffende Beweis für die Richtigkeit seiner Rekonstruktion erbracht worden zu<br />

sein. Die Gedanken von Morgan wurden von Marx und Engels übernommen und<br />

als Teil der allgemeinen Lehrsätze des Marxismus verwendet – ein großer Irrtum,<br />

wie sich später herausstellen sollte.<br />

Da unter den Autoren der klassischen Evolutionisten meines Wissens keine einzige<br />

Frau zu finden ist, aber trotzdem eine Frau zu Wort kommen sollte, verwende<br />

154 Wesel 1980, Der Mythos vom Matriarchat, S.64–65.<br />

155 Wesel 1980, Der Mythos vom Matriarchat, S.13.

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