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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 140<br />

<strong>Gesellschaften</strong> mit vorwiegend polygynen Ehen müßten eigentlich ein Interesse<br />

an vielen weiblichen Nachkommen haben, doch gerade hier tritt weibliche Kindestötung<br />

häufiger auf. Wo immer vorindustrielle Kriegführung vorkommt, erwarten<br />

wir, daß die stärksten und aggressivsten Krieger eine bevorzugte Stellung<br />

innerhalb einer Gesellschaft besitzen. Männliche Kinder werden trainiert, impulsiv<br />

und aggressiv zu sein, um durch ihre überlegene Muskelkraft das individuelle<br />

und das Gruppenüberleben zu sichern. Hier wird sichtbar, daß selbst dann,<br />

wenn manche Mädchen körperlich sogar geeigneter für die Kriegführung als manche<br />

Knaben wären, durch das körperliche Training das exklusive Vorrecht der<br />

Männer und das Monopol über die Waffen schon in der Kindheit anerzogen werden.<br />

Dabei liegt der Vorteil darin, daß das Geschlecht als prinzipielle Verstärkung<br />

für kämpfende und aggressive Vorstellungen genutzt wird. Dies inkludiert zwar<br />

später auch ein riskanteres Leben, hatte aber wahrscheinlich den Vorteil, daß die<br />

Knaben und jungen Krieger besser versorgt wurden (Nahrung und Unterkunft).<br />

Wenn kriegerisches und aggressives Verhalten das Ideal der Männer ist und sie<br />

dafür mit Frauen belohnt werden, dann müssen Frauen von Kindheit an zur Passivität<br />

erzogen werden. Bei einer Vernachlässigung von weiblichen Kindern und<br />

einer bevorzugten polygynen Familienorganisation wird zusätzlich die Nachfrage<br />

nach Frauen verstärkt. Dadurch wird ein positives Feedback mit der männliche<br />

Aggressivität und Angriffslust erreicht; das wiederum fördert den ” Kampf<br />

um Frauen“. Innerhalb der Gesellschaft werden diverse Strategien entwickelt,<br />

um Frauen zur Passivität zu erziehen, wie z.B. Initiationsschulen, wo sie auf ihr<br />

zukünftiges Eheleben vorbereitet werden, aber auch öffentliche Maskenauftritte,<br />

um Frauen einzuschüchtern und/oder durch männliche religiöse Spezialisten. 59<br />

Nach Divale und Harris hilft die Hypothese der Verbindung von Kriegführung<br />

mit den verschiedenen Aspekten der männlichen Vormachtstellung wenig, um<br />

die Entwicklung zur Matrilokalität zu erklären, sondern es sollte vielmehr die<br />

Frage gestellt werden, warum auch in matrilinearen und matrilokalen Systemen<br />

Männer dominieren. Dabei sei nicht der geschlechtsspezifische Dimorphismus ausschlaggebend,<br />

sondern die Kriegführung selbst, die das direkte Produkt für die<br />

durch Geschlecht bestimmte Aggressivität darstelle. Nach Divale und Harris ist<br />

Kriegführung in Band- und Dorfgesellschaften eine Erklärungsvariante für die<br />

Vormacht der Männer und gleichzeitig ist der Krieg Teil einer Möglichkeit des<br />

menschlichen Systems der Bevölkerungskontrolle. 60<br />

Divale und Harris vermuten, daß die weibliche Kindestötung ein übliches Mittel<br />

zur Geburtenkontrolle war, weil keine andere Form bekannt gewesen sei. Für das<br />

Paläolithikum wurde ein extrem niedriges Bevölkerungswachstum von 0,00015 %<br />

pro Jahr berechnet und für das Neolithikum ungefähr ein jährliches Wachstum<br />

Arbeit, Kapitel 1, S.16. George E.B. Morren, Jr. (1973): Woman the Hunter, Paper presented<br />

at the 72nd Annual Meeting of the American Anthropological Association, New Orleans, zit.n.<br />

Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.526.<br />

59 Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.526.<br />

60 Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.527.<br />

Die beiden Autoren führen einzelne Beispiele an, die diese Hypothese unterstützen.

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