Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 236<br />
ihn bei bestimmten Abschnitten während der Zeremonie vertritt; (5) die Verwandtschaft:<br />
die Eltern der Initiandin (die Mutter sorgt für Essen und Bier) und<br />
die Schwester des Vaters. 152<br />
Die Durchführung der Chisungu-Zeremonie gilt als Voraussetzung für eine Ehe.<br />
Es heißt, niemand würde ein Mädchen heiraten, das nicht Chisungu getanzt<br />
hat. Denn sie hätte nicht das Wissen und könnte niemals zu anderen Chisungu-<br />
Zeremonien eingeladen werden; sie wäre unkultiviert wie ein ungebrauchter Topf<br />
und keine Frau. 153 Die alten Frauen sagen, Chisungu wird getanzt, um ein<br />
Mädchen wachsen zu lassen und dafür sind Riten notwendig, z.B. der ” jumping<br />
test“ zu Beginn, am 17. Tag und am letzten Tag. Mit Eintritt in die Initiationshütte<br />
beginnt die soziale Isolierung (schäbige alte Kleider, sie darf sich nicht<br />
waschen und das Essen muß auf einem separaten Feuer zubereitet werden). Mit<br />
dem Bestehen von Fruchtbarkeitstests erhält sie ” ihren“ Garten und ” ihr“ eigenes<br />
Feuer. Während der Zeremonie wird von der Initiandin erwartet, daß sie Dinge<br />
tut, die sie nie zuvor getan hat. Es heißt, daß durch Chisungu die Angst vor Blut<br />
sowie den Gefahren der Sexualität und dem Feuer genommen wird. Erst wenn<br />
die Initiandin selbst in den folgenden Jahren an anderen Chisungu-Zeremonien<br />
teilnimmt, wird sie die Inhalte und die Symbolik verstehen. 154<br />
Der Initiandin wird Wissen vermittelt: eine Geheimsprache, Chisungu-Lieder,<br />
Rhythmen und teilweise geheime Lieder; die Inhalte geben Hinweise auf korrektes<br />
Verhalten als Mutter zu ihren Kindern und der Gemeinschaft, oder über<br />
die Pflichten im Haushalt und Garten. Es besteht äußerlich kein Unterschied zwischen<br />
initiierten und nicht-initiierten Mädchen; der wesentliche Unterschied liegt<br />
in der <strong>for</strong>mellen Begrüßung. Die Chisungu-Zeremonie dient auch der Unterhaltung,<br />
dem Zusammentreffen von Freunden, Verwandten; vor allem von Frauen,<br />
obwohl auch Männer ein Chisungu-Dorf besuchen. Die Mehrzahl der Riten wird<br />
von den Frauen als unterhaltende Darstellung von Spiel und Solotänzen gesehen.<br />
Die nacimubusa stellt mit großem Aufwand Modelle von Objekten/Tieren (wie<br />
z.B. Schlange und Krokodil) her. Auch sie versucht – wie ein Headman – Ansehen<br />
im Dorf zu erlangen, d.h. mit ihren besonderen Fähigkeiten, Kenntnissen und<br />
Überzeugungskraft will sie so viele Frauen wie möglich während der Chisungu-<br />
Zeremonie anziehen. 155<br />
152 Richards 1982, Chisungu, S.56–58. Beschreibung der Feldsituation S.61–63: Die Hauptin<strong>for</strong>mantin<br />
war die Lehrerin der Zeremonie, die Richards vier Monate begleitete. Es gab zwei<br />
Kandidatinnen, die wenige Monate zuvor die Pubertät erreichten. Während der Zeremonie wurden<br />
archaische Worte verwendet, die Richards trotz guter Sprachkenntnisse nur durch fremde<br />
Übersetzung und Interpretation entschlüsseln konnte. Soweit es ihr möglich war, folgte sie den<br />
einzelnen Initiationsabschnitten selbst; Lieder und Tänze begannen teilweise zwischen 2 und 3<br />
Uhr in der Früh, daran nahm sie nur eingeschränkt teil. Richards bedauerte, daß sie von der<br />
Initiandin – bedingt durch ihr Schweigegebot – keine In<strong>for</strong>mationen erhalten konnte.<br />
153 Richards 1982, Chisungu, S.120.<br />
154 Richards 1982, Chisungu, S.122–127.<br />
155 Richards 1982, Chisungu, S.133–134.