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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Regionalgebiet Südostasien 285<br />

men beizutragen. Franz und Keebet Benda-Beckmann beziehen sich auf ein altes<br />

Sprichwort, das bis heute Geltung hat:<br />

Er ist wie Asche auf dem Baumstrumpf,<br />

bläst man dagegen,<br />

fliegt sie weg. 124<br />

Frauen können gegenüber ihren Männern niemals Macht/Herrschaft ausüben,<br />

sondern besitzen – aufgrund der Nähe zur matrilinearen Abstammungsgruppe –<br />

eine relativ starke Position gegenüber ihren Ehemännern, die aber gleichzeitig von<br />

anderen, vor allem älteren Frauen ihrer eigenen Abstammungsgruppe abhängig<br />

ist. Erst im Alter und als Mütter erwachsener Kinder erlangen sie innerhalb ihrer<br />

matrilinearen Abstammungsgruppe eine starke Position mit Entscheidungsbefugnissen.<br />

125<br />

Im Laufe der Geschichte hat sich das Verhältnis zwischen Islam und Adat erheblich<br />

verändert, z.B. beim Erbrecht des selbsterworbenen Vermögens des Mannes,<br />

das er heute an seine Kinder vererbt. Männer können Vermögen und Ehrentitel<br />

erlangen, aber niemals Familienland besitzen oder vererben. Ein Geistlicher der<br />

Moschee, der islamische Lehrer oder der Dozent der Universität lehren tagsüber islamisches<br />

Recht, kehren aber abends ins Haus ihrer Ehefrauen zurück und nehmen<br />

dort eine ebenso unsichere Stellung ein, wie alle anderen Ehemänner. Die Eheschließungen<br />

werden sowohl nach islamischem Ritual als auch nach Adat-Regeln<br />

vollzogen. Bei der Scheidung wird das islamische Recht des Mannes, durch dreifaches<br />

ausrufen von thalak (verstoßen der Frau), vollzogen. Frauen können aber<br />

ebenso die Scheidung einreichen. Bei der Eheschließung wird meist der thalak<br />

taklid (bedingte Scheidung) vereinbart, wo der Ehemann erklärt, daß unter bestimmten<br />

Umständen, sein thalak als ausgesprochen gilt. Als Gründe dieser Scheidungsvariante<br />

werden häufig die Verwandten der Frau genannt, wenn der Ehemann<br />

nicht mehr bereit ist, zum Lebensunterhalt beizutragen. Die familien- und<br />

vermögensrechtlichen Folgen einer Scheidung werden ausschließlich nach Adat-<br />

Recht gelöst. In Indonesien ist seit 1974 das Ehe- und Scheidungsrecht weitgehend<br />

kodifiziert, d.h. Vereinheitlichung der zahlreichen Gewohnheitsrechte, aber<br />

unter Ausschluß des Güterrechts. Als eine der wichtigsten Neuerungen gilt, daß<br />

die Scheidung nicht mehr einseitig ausgesprochen werden kann, sondern durch<br />

einen Richter geprüft und gutgeheißen werden muß. Will ein Mann eine zweite<br />

Ehe eingehen, muß eine schriftliche Zustimmung der ersten Frau erfolgen, die dem<br />

Gericht übergeben wird. 126<br />

124Franz und Kebeet Benda-Beckmann 1985, Die rechtliche Stellung der Frauen bei den Minangkabau<br />

in Indonesien, S.509.<br />

125Franz und Kebeet Benda-Beckmann 1985, Die rechtliche Stellung der Frauen bei den Minangkabau<br />

in Indonesien, S.509.<br />

126Franz und Kebeet Benda-Beckmann 1985, Die rechtliche Stellung der Frauen bei den Min-<br />

angkabau in Indonesien, S.510–511.

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