Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Familialisierung von sozialen Beziehungen 14<br />
1.1.1 Unterschiedliches Sozialverhalten bei Primaten<br />
Die Primaten<strong>for</strong>schung hat eine gewisse Bedeutung für die Beurteilung der Entwicklung<br />
der Hominiden. Das Beispiel der Paviane, die eine natürlich gegebene<br />
Rangordnung der männlichen Tiere aufweisen, wird immer wieder genannt, um<br />
die männliche Dominanz zu erklären. Der dabei unterstellte Dimorphismus als<br />
geschlechtliches Unterscheidungsmerkmal trifft aber nicht auf alle Primaten und<br />
nicht einmal für alle Pavianarten zu, sondern nur auf diejenigen, die in der Savanne<br />
leben. Irven DeVore und Sherwood L. Washburn (1961) beschreiben Paviane,<br />
die in Wäldern leben, bei welchen der Größenunterschied zwischen Männchen und<br />
Weibchen wenig impossant ist. 9<br />
Vor allem die Begründung über die Rangordnung und den Geschlechtsdimorphismus<br />
bei den Primaten habe immer wieder dazu geführt, die Benachteiligung der<br />
Frau in der menschlichen Gesellschaft zu erklären. Danach sei die Unterlegenheit<br />
der Frau biologisch begründbar und sozusagen ein Erbe aus unserer Primatenvergangenheit.<br />
Nach Gough wurde lange Zeit angenommen, daß die Dominanz der<br />
Männer durch ihre größere Bereitschaft zur Kooperation und Solidarität untereinander<br />
entstanden sei, also eher durch Instinkt erworben, als kulturell erlernt<br />
worden sei. Im Gegensatz dazu gebe es bei den Frauen eher die Tendenz, sich mit<br />
einem Mann zu verbinden als mit anderen Frauen zu kooperieren. 10<br />
Gough lehnt dies entschieden ab und kommt zu einer interessanten Unterscheidung<br />
zwischen Primatenarten. Sie weist darauf hin, daß der geschlechtliche Dimorphismus<br />
bei den Primaten unterschiedlich ausgeprägt ist:<br />
(1) Bei den baumbewohnenden Primaten sind die Größenunterschiede zwischen<br />
Männchen und Weibchen kaum vorhanden. Als Erklärung nennt Gough, daß diese<br />
Primaten (wie Gibbons) kaum Zeit für die Verteidigung aufwenden mußten.<br />
Dadurch ist die männliche Vorherrschaft innerhalb einer Gruppe nicht für das<br />
Überleben dieser Art entscheidend. Bei Angriffen flüchten z.B. Gibbons so<strong>for</strong>t<br />
auf die Bäume.<br />
(2) Für die bodenbewohnenden Primaten ist die Verteidigung ein wesentliches<br />
Kriterium ihres Überlebens. Hier setzte eine natürliche Selektion ein. Die großen<br />
und starken Männchen waren für die Gruppe wichtiger. Es entstand eine Hierarchie<br />
unter den Männchen und eine Dominanz über die Weibchen. Als Beispiele<br />
für diese Art gelten die Gorillas. Die Weibchen sind um die Hälfte kleiner als die<br />
Männchen. 11<br />
9 Uwe Wesel (1980): Der Mythos vom Matriarchat. – Über Bachofens Mutterecht und die<br />
Stellung von Frauen in frühen <strong>Gesellschaften</strong>, Kapitel XIII: Natürliche Unterschiede, Suhrkamp,<br />
Frankfurt a.M., S.85–90, hier insbesondere S.86; verweist auf: Sherwood L. Washburn und Irven<br />
DeVore, (1961): Social Behavior of Babbons and Early Man, in: S.L. Washburn (Hg.), Social<br />
Life of Early Man, Chicago, Aldine.<br />
10 Gough 1975, The Origin of the Family, S.57. Gough bezieht sich hier auf Desmond Morris<br />
(1967): Naked Ape, New York, McGraw Hill; sowie auf Robin Fox (1967): Kinship and Marriage.<br />
An Anthropological Perspective, Cambridge Univ. Press, Cambridge MA, New York et al., und<br />
hier insbesondere Kapitel I: Kinship, Family, and Descent, S.27–53.<br />
11 Gough 1975, The Origin of the Family, S.58.