Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Zusammenfassung 300<br />
einandersetzungen begannen erst nach einem Bevölkerungsanstieg, als Folge der<br />
Expansion in bereits bewohnte Gebiete. Die expandierende Bemba-Bevölkerung<br />
verdrängte die Lungu-Bevölkerung nach Westen und Süden, die Chewa-Bevölkerung<br />
nach Osten. Während dieser Expansionsphase wurde die innere Bemba-<br />
Gemeinschaft gestärkt, die Aggressionen richteten sich nach außen. Grundsätzlich<br />
ist die Dorfsegmentierung mit neolokaler Residenz verbunden, aber die <strong>for</strong>tgesetzte<br />
Kriegführung dürfte dazu geführt haben, daß die nachfolgenden Generationen<br />
zur bevorzugten Uxorilokalität übergegangen sind. Die Konflikte mit<br />
den verdrängten Bevölkerungsgruppen stärkten den Wohnort der Frauen und<br />
die Kriegszüge wurden ausschließlich gegen die vorher ansässige Bevölkerung gerichtet.<br />
Durch die bevorzugte Uxorilokalität waren die einzelnen Bemba-Dörfer<br />
stärker untereinander verbunden; Angriffe von außen konnten besser abgewehrt<br />
werden; Kriegszüge mußten in größeren Entfernungen geführt werden, um weitere<br />
Dorfsegmentierungen zu ermöglichen. Die Bemba-Bevölkerung sei – nach Audrey<br />
Richards – stolz auf ihre kriegerische Vergangenheit. Während der Forschungsaufenthalte<br />
von Richards in den 1930er Jahren folgte die Bemba-Bevölkerung<br />
weiterhin bevorzugter uxorilokaler Residenz, obwohl die Wahl des postmaritalen<br />
Wohnortes eine individuelle Entscheidung geworden sei und meist erst nach<br />
der Geburt des ersten Kindes getroffen werde. Die matrilinearen Klans werden<br />
nach Tieren, Pflanzen und Naturerscheinungen benannt, der Krokodil-Klan besitzt<br />
den höchsten Status. Die durch Geburt bestimmte Zugehörigkeit zu den<br />
einzelnen Klans legt den Rang in der Gesellschaft fest, unter den Mitgliedern<br />
eines Klans wird nach Alter und Geschlecht der Status unterschieden. Frauen erreichen<br />
erst im Alter als Mutter, Großmutter mit großer Erfahrung und traditionellem<br />
Wissen, einen hohen Status. Dabei spielen die persönlichen Beziehungen<br />
untereinander eine entscheidende Rolle, die durch zeremonielles Verhalten ausgedrückt<br />
werden. Die Initiationsriten der Mädchen im Pubertätsalter sollen die<br />
Statusänderung unterstreichen, gleichzeitig auch die Initiandin vorbereiten, wie<br />
sie sich gegenüber den Frauen der Matrilineage zu verhalten habe. Wie bereits<br />
vorher beschrieben, wird innere Harmonie in uxorilokalen und matrilinearen <strong>Gesellschaften</strong><br />
geschätzt, hingegen Streit, Unfreundlichkeit, öffentliche Auseinandersetzungen<br />
abgelehnt, meist auch gesellschaftlich sanktioniert. Besondere Initiationsriten<br />
sollen die Konfliktbereitschaft zwischen den Geschlechtern und zwischen<br />
gleichgeschlechtlichen Mitgliedern vermeiden helfen.<br />
Abschließend kann über die <strong>Gesellschaften</strong> des matrilinearen Gürtels gesagt werden,<br />
daß Migration und externale Kriegführung mit einiger Sicherheit zur Übernahme<br />
und Beibehaltung von uxorilokalen Residenz- und matrilinearen Deszendenzregeln<br />
geführt haben. Die Hypothese, daß die Sprachdifferenz die Migrationsthese<br />
stütze, läßt sich hier aber nicht immer bestätigen. Es wird vermutet,<br />
daß nicht die ursprüngliche Massenmigration der bantu-sprachigen Bevölkerung,<br />
sondern erst die nachfolgende Expansionsbewegung – wie am Beispiel der Bemba-<br />
Bevölkerung dargestellt –, zur Übernahme von bevorzugter Uxorilokalität und<br />
matrilinearer Deszendenz geführt hat. Die der Migration nachfolgende Expansion<br />
müßte als weiterer möglicher Faktor in das Schema von Divale eingefügt werden.