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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 80<br />

Stämmen – wenn die Frau im gebärfähigen Alter war – sogar doppelt und dreifach<br />

so hoch, wie das Wergeld eines Mannes. Die Frau wurde als Produzentin von<br />

Kindern geachtet und geschätzt; dies hatte aber keinen Einfluß auf ihre Rechtsstellung<br />

gegenüber dem einzelnen Mann. Eine derbe geschäftliche Auffassung der<br />

Eheschließung spiegelt noch deutlich ein angelsächsisches Gesetz wider:<br />

Wenn man ein Mädchen kauft, so sei es mit dem Kauf gekauft, falls kein<br />

Trug dabei ist. Ist aber Trug dabei, so bringe er sie nach Hause zurück,<br />

und man gebe ihm sein Geld wieder. 58<br />

Marianne Weber meint dazu: ” Das sind etwa die Regeln des Viehhandels.“ Die<br />

von Tacitus berichtete abergläubische Verehrung der germanischen Frau hatte<br />

nichts mit der Realität zu tun. Die Gattin war dem Manne gegenüber rechtlich<br />

nicht Person, sondern Sache, das durch Kauf begründete Rechtsverhältnis – Kaufpreis<br />

mundium oder mut genannt – wie das römische manus war ein Gewalt-, nicht<br />

ein Schutzverhältnis. Der Mann konnte seine Ehefrau töten, verschenken, verleihen,<br />

verkaufen und letztwillig vererben. Auch Kindern gegenüber hatte die Frau<br />

ebenso wie in Rom keine Rechte. Nach dem Tod des Vaters ging das munt auf den<br />

nächsten männlichen Verwandten ( ” Schwertmagen“) über, und in der Regel wurde<br />

der über 12-jährige Sohn ” Muntwalter“ seiner Mutter und seiner Geschwister.<br />

Bei der Verletzung der Geschlechtsehre wurde nur die Frau öffentlich bestraft,<br />

ihren Mitschuldigen traf nur eine Geldbuße, die er an ihre Verwandten entrichten<br />

mußte. Der Bräutigam oder Gatte konnte seine schuldige Frau töten oder<br />

schimpflich verstoßen. Dem Mann wurde bei den Burgundern bei Zustimmung<br />

seiner Verwandtschaft polygamische Verbindungen rechtlich erlaubt, wenn er die<br />

Kosten zu tragen vermochte. Dies traf vor allem bei den Fürsten und Vornehmen<br />

zu. Die fränkischen Herrscher hatten gleichzeitig mehrere Ehefrauen und Karl der<br />

Große hatte nacheinander acht legitime Gattinnen und zusätzlich viele Konkubinen.<br />

Einen ” Ehebruch“ des Mannes gab es ursprünglich überhaupt nicht und<br />

als Verletzung der Rechte der Frau erst im späteren Recht nur dann, wenn die<br />

Konkubine förmlich ins Haus und in die Hausgemeinschaft, in welche sie nicht<br />

gehörte, aufgenommen wurde. Nicht legitime Kinder konnten vom Mann den legitimen<br />

gleichgestellt werden, d.h. sie konnten erbberechtigt sein (außer an der<br />

dos), mit den ehelichen erzogen werden; ausschlaggebend dafür war ausschließlich<br />

der Wille des Vaters. 59<br />

Die Geschlechtsvormundschaft erhielt sich im germanischen Rechtskreis außerordentlich<br />

zäh, nur für Witwen verschwand sie in manchen Teilen der Volksrechte<br />

und wurde im Mittelalter in ein Fürsorgeverhältnis verwandelt. Unter dem Einfluß<br />

des Christentums gewann die Frau gewisse Persönlichkeitsrechte, soweit sie<br />

mit der Autorität des Mannes in der Familie vereinbar erschienen. Der wichtigste<br />

Punkt dabei war aber, daß der Heiratszwang verschwand, die Kirche <strong>for</strong>derte<br />

rechtlich die Einwilligung der Braut und damit erhielt sie (der verwandtschaftliche<br />

moralische Zwang blieb aber bestehen) das erste Selbstbestimmungsrecht<br />

58 Marianne Weber 1989, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, S.205.<br />

59 Marianne Weber 1989, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, S.205–207.

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