Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 190<br />
Laufe der Zeit Veränderungen in den Maskentraditionen durchgesetzt, sodaß<br />
wir heute drei Gruppen unterscheiden können: (a) makishi/makisiTradition von<br />
Ostangola/Nordwest-Zambia und Süd-Zaïre; (b) nyau in Malaˆwi, Ost-Zambia<br />
und angrenzenden Zonen; (c) midimu und isinyago im nördlichen Moçambique<br />
und südlichen Tanzania. Die Vermutung der gemeinsamen Wurzeln dieser drei<br />
Gruppen beruht sowohl auf strukturellen Identitäten in der Organisation dieser<br />
” Geheimbünde“, Parallelen bei der Wahl bestimmter Code-Wörter, -Phrasen<br />
und -Handlungen sowie bei der Bezeichnung der beteiligten Personen bei der Initiationsphase<br />
und den Kategorien der Masken. 30 Nyau bezeichnet die Institution<br />
des Maskenbundes der Männer; dabei ist die Mitgliedschaft freiwillig und erfolgt<br />
durch Initiation. Obwohl der Nyau-Bund eine Geheimgesellschaft darstellt, haben<br />
die öffentlichen Auftritte der Masken zentrale Bedeutung.<br />
Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Geheimbünden ist die Möglichkeit der<br />
Aufnahme einzelner Frauen in den Nyau-Bund. Das Wort nyau ist wahrscheinlich<br />
auf die Grundbedeutung von ” Initiation“ zurückzuführen, z.B. ist -nyau im Wortstamm<br />
der Sprachen Chichewa, Chimang’anja usw. enthalten, oder das Chiyao-<br />
Wort unyago, das die Initiation bezeichnet. Aus den bisherigen Forschungen geht<br />
hervor, daß die Motivation zur Bildung von Maskenbünden grundsätzlich in Verbindung<br />
mit matrilinearer Deszendenz und uxorilokaler Residenz steht. 31<br />
Im Vordergrund der öffentlichen Auftritte der nyau-Maskentänzer steht die Ehrung<br />
von verstorbenen Mitgliedern, z.B. das Auftreten der Masken zum Jahrestag<br />
des Ablebens eines Mitglieds. In der Tradition steckt der Glaube an eine<br />
Wiedergeburt, die in der symbolischen Weitergabe des Namens eines verstorbenen<br />
Mitglieds an einen Initianden ausgedrückt wird. Manche der anthropomorphen<br />
Figuren stellen Verstorbene dar; die Tiermasken sind als Symbol für die<br />
” Zähmung“ zoomorpher oft phantastischer Wesen im Busch durch den Menschen<br />
zu sehen. Dadurch begründe sich der Sieg des Menschen über die Natur, die<br />
die transhumane Welt bilde. Als religiöse und kultische Vereinigung können die<br />
nyau-Bünde jedoch ebensowenig angesehen werden wie Maskenbünde anderswo<br />
im matrilinearen Gürtel des südlichen Zentralafrika. Dieser Anschein entstand<br />
erst durch die christliche Mission, die vehement gegen den Bund auftrat und die<br />
Mitglieder als Antichristen“ abstempelte. Als Reaktions- und Kompensations-<br />
”<br />
erscheinung entstand ein Synchretismus, der zur Aufnahme von Bibelgestalten in<br />
das Maskenrepertoire führte. 32<br />
Die Chewa-Bevölkerung begründete ursprünglich ihre Gemeinsamkeiten auf eine<br />
Organisations<strong>for</strong>m, die auf Schreinen beruhte (weniger auf Lineages oder Ahnenverehrung).<br />
Der Maravi-Kult hatte eine ähnliche Bedeutung wie der malunga von<br />
Angola, wie die Holzfiguren, die in kleinen Flußbetten gefunden wurden, vermu-<br />
30 Gerhard Kubik (1987): Nyau – Maskenbünde im südlichen Malaˆwi, unter Mitarbeit von<br />
Moya Aliya Malamusi, Verlag der Österr. Akademie der Wissenschaften, Veröffentlichungen<br />
der Ethnologischen Kommission, Nr.4, Wien, S.35, bzw. S.40.<br />
31 Kubik 1987, Nyau – Maskenbünde im südlichen Malaˆwi, S.14.<br />
32 Kubik 1987, Nyau – Maskenbünde im südlichen Malaˆwi, S.21.