29.08.2013 Aufrufe

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 134<br />

Untersuchung drei Hypothesen getestet. Ihre drei-Punkte-Skala beinhaltete die<br />

Häufigkeit der Fehdeführung: (1) regelmäßig, (2) gelegentlich, (3) abwesend oder<br />

selten (Kriegführung ist selten gegen Nachbarn gerichtet). <strong>Gesellschaften</strong> mit regelmäßig<br />

vorhandener Fehdeführung erwarten bei Totschlag eines Mitglieds, daß<br />

die Verwandten des Getöteten Blutrache üben. Entweder wird derjenige, der die<br />

Tat ausgeführt hat oder irgendein Mitglied seiner Verwandtschaftsgruppe getötet.<br />

Bei unregelmäßiger Fehdeführung wird manchmal eine Entschädigung akzeptiert.<br />

Ist Fehdeführung überhaupt abwesend, dann besitzt diese Gesellschaft ein <strong>for</strong>mal<br />

gerichtliches Verfahren zur Bestrafung des Angreifers und Totschlag ist kaum<br />

vorhanden. Die Fehdeführung kann durch zwei politische Faktoren kontrolliert<br />

werden: (1) durch das Vorhandensein gerichtlicher Autoritäten, die eine höhere<br />

Stellung einnehmen, als die lokale Gemeinschaft; oder (2) das Vorhandensein von<br />

Kriegführung. 36<br />

Van Velzen und van Wetering (1960) übernahmen den funktionalistischen Ansatz<br />

von Hoebel (1954) und fanden eine Bestätigung ihrer Hypothese, daß nämlich <strong>Gesellschaften</strong><br />

mit fraternalen Interessengruppen häufiger zur Fehdeführung neigen<br />

als diejenigen, die keine fraternalen Interessengruppen bilden. Ausschlaggeben sei<br />

dabei vor allem, daß <strong>Gesellschaften</strong> die häufig Kriege führten durch eine größere<br />

innere Zusammengehörigkeit (internal cohesion) gekennzeichnet waren und weniger<br />

häufig interne Fehdeführung übten, als <strong>Gesellschaften</strong> mit friedlichen nach<br />

außen gerichteten Beziehungen. Sie testeten ihre Hypothese anhand des World<br />

Ethnographic Sample von Murdock (1957) und kamen zu folgendem Ergebnis:<br />

(1) Fraternale Interessengruppen bilden eine geschlossene Gruppe, die aus allen<br />

männlichen Verwandten besteht und sie reagieren aggressiv, wenn die Interessen<br />

ihrer Mitglieder gefährdet sind. Fraternale Interessengruppen entstehen durch die<br />

bevorzugte Virilokalität, dabei leben alle verwandten Männer im selben Dorf und<br />

unterstützen sich gegenseitig. Weiters sind die Ehen häufig auch polygyn, dadurch<br />

entsteht die Situation, daß erwachsene unverheiratete Halbbrüder, die durch das<br />

verzögerte Heiratsalter bei polygynen Ehen in unmittelbarer Nähe wohnen immer<br />

wieder Konflikte untereinander austragen. (2) <strong>Gesellschaften</strong> ohne fraternale<br />

Interessengruppen sind weniger aggressiv und eher friedliebend. Sie folgen<br />

uxorilokalen Residenzregeln, d.h. Männer derselben Abstammungsgruppe leben<br />

in unterschiedlichen Dörfern, können nicht auf unmittelbare Hilfe ihrer männlichen<br />

Verwandten zählen und die männlichen Verwandtschaftsverbindungen reichen<br />

über mehrere Dörfer hinaus. 37<br />

Dabei beziehen sich Otterbein und Otterbein auf ein Zitat von Gouldner und<br />

Peterson (1962), die annehmen, daß:<br />

36Otterbein und Otterbein 1965, An Eye <strong>for</strong> an Eye, S.1470–1471. Murdock (1962), Ethnographic<br />

Atlas, S.117–118.<br />

37Otterbein und Otterbein 1965, An Eye <strong>for</strong> an Eye, S.1470, 1473–1474. Mit weiteren Literaturhinweisen:<br />

H.U.E. Thoden van Velzen und W. van Wetering (1960): Residence, Power<br />

Groups and Intra-societal Aggression, International Archives of Ethnography, 49, S.169–200.<br />

Adamson E. Hoebel (1954): The Law of Primitive Man, Harvard University Press, Cambridge.<br />

Murdock (1957): World Ethnographic Sample, American Anthropologist 59, S.664–687.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!