29.08.2013 Aufrufe

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 223<br />

Im 19. Jahrhundert bildeten die Matrilineages noch autarke Einheiten. Der Mutterbruder<br />

(der Mwegazi) vertrat die Lineage nach außen und verteidigte die Rechte<br />

der Frauen seiner Lineage. Mit dem Übergang des Erbrechts vom Mutterbruder<br />

auf den Vater verloren die Frauen den Einfluß und Schutz durch ihren Lineageältesten.<br />

Die Frauen hatten im religiösen Bereich wichtige Funktionen übernommen,<br />

so konnten sie z.B. das Amt des obersten Regenmachers ausüben oder<br />

es wurde weiblichen Lineagevorfahren durch Ahnenopfer gedacht; aber auch die<br />

Durchführung des Mnkinda-Ritus, um die Verlobungsfähigkeit der Tochter bekanntzugeben,<br />

lag in ihren Händen, wie auch die Riten, die nach der Geburt des<br />

ersten Kindes durchgeführt werden mußten. 122<br />

Heute zählen zu den wichtigsten rituellen Aufgaben der Frauen die Gestaltung der<br />

Initiationsriten der Mädchen und die Teilnahme an den Todesriten; oder Frauen<br />

werden in den Kisasa-Ritus initiiert, d.h. es wird ein Ahnenopfer zelebriert, wenn<br />

es schwerwiegende Probleme innerhalb der Gemeinschaft oder der Familiengruppe<br />

gibt. Grohs geht in ihrem Aufsatz vor allem auf die Reiferiten der Mädchen<br />

(kisazi) ein, die sie während verschiedener Feldaufenthalte zwischen 1969 und<br />

1987 dokumentiert hat. Die Popularität der Initiationsriten der Mädchen war<br />

1985 außerordentlich groß, obwohl bereits 1973 prognostiziert worden war, daß<br />

sie sehr bald aussterben würden. 123<br />

Die Initiationsriten der Mädchen beginnen am Tag der ersten Menstruation<br />

und noch am selben Tag finden die Riten der Trennung statt, die kibwembwe<br />

genannt werden. Während der Seklusionsphase befindet sich das Mädchen<br />

möglichst im Haus der mütterlichen oder väterlichen Großmutter. Die gesamte<br />

Initiationsphase setzt sich nach Grohs aus 20 rituellen Sequenzen zusammen, wobei<br />

die Entlassungs- oder Kisazi-Riten den dichtesten Teil der rituellen Praktiken<br />

darstellen und zugleich den Abschluß der Seklusion bilden, die ursprünglich in<br />

die Hochzeitsriten übergegangen sind. Die Novizin wird von einer rituellen Spezialistin<br />

(Kungwi) und einer Betreuerin (Mbuya) während ihrer Übergangsphase<br />

begleitet. Die Aufgabe der Kungwi ist die Vorbereitung der Riten: dazu gehört das<br />

Formen von Tonfiguren (vihiri, Sing. ki), die mit weißen und roten Maiskörnern<br />

nach festgelegten Mustern dekoriert werden. Weiters sorgt sie dafür, daß Gräser,<br />

Pflanzen, Samenkörner, rote Erde und zahlreiche andere Gegenstände vorhanden<br />

sind. In der Vergangenheit dauerte die Seklusion ungewöhnlich lange, nämlich<br />

zwischen ein oder mehreren Jahren. Anfang der siebziger Jahre war eine dreimonatige<br />

Seklusion üblich, doch auch hier finden sich Unterschiede zwischen Dorfund<br />

Stadtbevölkerung, wo z.B. einer siebentägigen strengen Absonderung des<br />

Mädchens einige Wochen einer teilweisen Seklusion folgen konnte. 124<br />

Die Novizin oder mwali (Plur. wali) muß während der Seklusion strenge Regeln<br />

122 Grohs 1995, Frauen und rituelle Macht am Beispiel der Zigua und Ngulu, S.252–253; Literaturhinweis:<br />

McVicar 1934b, The Position of Women among the Wanguru, in: Primitive Man,<br />

7, S.17–22, hier S.21.<br />

123 Grohs 1995, Frauen und rituelle Macht am Beispiel der Zigua und Ngulu, S.253.<br />

124 Grohs 1995, Frauen und rituelle Macht am Beispiel der Zigua und Ngulu, S.254–255.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!