Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 214<br />
unabhängig voneinander und sind aus unterschiedlichen historischen Traditionen<br />
hervorgegangen. Der Grund für das Auftreten von zwei unterschiedlichen<br />
nyau-Zellen in einem Dorf dürfte mit der bevorzugten Uxorilokalität verbunden<br />
sein. Männliche Angehörige verschiedener ” Ethnien“ wie den -Mang’anja vom<br />
Chikwawa-Distrikt, -Nyanja und Lomwe haben ihre eigenen Traditionen ins Dorf<br />
der Frauen mitgebracht. 96 Zu den wesentlichen Unterschieden der nebeneinander<br />
existierenden nyau-Bünde zählen: daß beim gule wa Chimang’anja kein Gesang,<br />
keine vokale Aufführung, sondern rein instrumentaler Klang von acht becherförmigen<br />
Trommeln unterschiedlicher Größe dargeboten wird. 97<br />
Die Maskenbünde des matrilinearen Gürtels des südlichen Zentralafrika haben<br />
– trotz ihrer heutigen Unterschiede – vermutlich gemeinsame Wurzeln.<br />
Als Ausnahme gelten die -Yao, die als einzige ethnische Gruppe innerhalb des<br />
Nyasa/Ruvuma-Bevölkerungs-Clusters keinen nyau- oder analogen Maskenbund<br />
der Männer besitzen. Im Gegensatz dazu kann zwischen zwei Typen von Knaben-<br />
Initiationsschulen mit unterschiedlicher Genitalbeschneidung gewählt werden: (a)<br />
lupanda, mit Inzisions- oder Ritzbeschneidung; (b) jando, mit Rundbeschneidung.<br />
Einer der Gründe für das heutige Fehlen der Maskentraditionen könnte der islamische<br />
Einfluß seit dem späten 18. Jahrhundert gewesen sein. 98 Der Islam konnte<br />
aber – wie vermutet wird – nur deshalb an Bedeutung gewinnen, weil die matrilineare<br />
Sozialorganisation nicht mehr ausreichend in der Gesellschaft verankert war.<br />
Die Veränderungen innerhalb der Maravi-Nachfolgebevölkerung setzten ab dem<br />
19. Jahrhundert ein und führten teilweise zur Abschwächung der matrilinearen<br />
Sozialordnung und damit auch zum Bedeutungsverlust der nyau-Traditionen. 99<br />
Mädchen-Initiationsriten<br />
Chinamwali cha akazi bedeutet in wörtlicher Übersetzung die ” Initiation der<br />
Frauen“ oder die ” weibliche Initiation“ und die Initiandin selbst – wie auch<br />
ein männlicher Initiand des nyau-Bundes – wird namwali genannt. Kubik konnte<br />
durch vergleichende Analysen der Terminologie, Organisation und Struktur von<br />
chinamwali cha akazi und der nyau-Gemeinschaft feststellen, daß beide zueinander<br />
Parallelinstitutionen darstellen, die einen hohen Stellenwert innerhalb der<br />
Gesellschaft einnehmen. Vor allem die weiblichen Initiationsriten im Pubertätsalter<br />
sind in dieser Region hoch organisiert. 100<br />
Die einzelnen Schritte der Mädcheninitiation werden von Gerhard Kubik kurz<br />
zusammengefaßt:<br />
96 Kubik 1987, Nyau – Maskenbünde im südlichen Malaˆwi, S.23.<br />
97 Kubik 1987, Nyau – Maskenbünde im südlichen Malaˆwi, S.29; siehe dazu die detaillierte<br />
Beschreibung der einzelnen Maskencharaktere, S.26–29.<br />
98 Kubik 1987, Nyau – Maskenbünde im südlichen Malaˆwi, S.36–37. Sowie Kubik 1993, Makisi<br />
Nyau Mapiko – Maskentraditionen, S.174–178.<br />
99 Kubik 1987, Nyau – Maskenbünde im südlichen Malaˆwi, S.47.<br />
100 Kubik 1987, Nyau – Maskenbünde im südlichen Malaˆwi, S.41–42.