Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Regionalgebiet Südostasien 241<br />
5.1 Minangkabau-Kernland<br />
Das Kernland der Minangkabau ist Teil der Bergkette Bukit Barisan, die sich<br />
von Norden nach Süden entlang der Westseite der Insel erstreckt. Neben den<br />
günstigen Bedingungen für den Naßreisfeldbau der Region auf beiden Seiten des<br />
Äquators dürfte einerseits die relative Sicherheit in den Hochebenen für die Wahl<br />
ihres Siedlungsgebietes ausschlaggebend gewesen sein, andererseits auch die vulkanischen<br />
Böden und die ausreichende Bewässerung durch zahlreiche Flüsse, die<br />
im Hochland entspringen. Einige Flüsse des Hochlandes münden in die Straße<br />
von Malakka und bilden damit eine Kommunikations- und Handelsverbindung.<br />
Nach einer Legende lag die erste Ansiedlung am Südhang des Vulkans Merapi.<br />
Diese erste Ansiedlung soll aus drei Gemeinschaften bestanden haben und davon<br />
leiten sich die ursprünglichen drei Distrikte (Luhak nan Tigo) ab: Luhak Agam,<br />
Luhak Tanah Datar und Luhak Lima Puluh Kota. Alle nachfolgenden Ansiedlungen<br />
haben Legenden, die sich auf ihre Ahnen beziehen, die von einem der drei<br />
genannten Distrikte kamen. 3<br />
Ilse Lenz bezeichnet die ” Minangkabau Welt“ als ein typisches Rückzugsgebiet,<br />
das von externen Eroberungszügen weitgehend verschont worden ist und dennoch<br />
war es nicht isoliert. Es bestanden Handelsverbindungen über die abschüssigen<br />
Wege zur Westküste und über einige Flüsse zur Straße von Malakka an der<br />
Ostküste. 4 Das Hauptsiedlungsgebiet bildeten vier Täler im Hochland, die besonders<br />
gut für den Reisanbau geeignet und von Hügeln umgeben sind, die die Minangkabau<br />
von ihren Nachbarn trennten. Diese gesamte Region wird als Padangoder<br />
Minangkabau-Hochland bezeichnet. Jedes der vier Täler ist getrennt durch<br />
Hügeln und charakterisiert durch einen Vulkan (Gunung): (1) Agam, am Fuß des<br />
Gunung Singgalang (9.400 ft.) liegt direkt am Äquator; (2) südöstlich davon liegt<br />
Tanah Datar, getrennt durch den Gunung Merapi (9.500 ft.), der legendäre Berg<br />
auf den die erste Ansiedlung zurückgeführt wird; (3) parallel zu Tanah Datar,<br />
aber getrennt durch niedrige Hügel, liegt das Singkarak-Solok Tal mit dem See<br />
Singkarak und dem Gunung Talang (4.500 ft.); (4) weiter östlich und parallel zur<br />
Agam-Ebene liegt das Tal Limapuluh Kota, das niedrigste der Täler (unter 1.500<br />
ft.) mit dem Gunung Sago (5.000 ft.). Die Bevölkerung jedes Tales pflegt ihre<br />
eigene Identität, die aber historisch als eine Einheit wahrgenommen wird und gemeinsam<br />
bildeten sie das Kernland der Minangkabau, das als darat oder die Welt<br />
der Minangkabau (alam Minangkabau) bezeichnet wird. Die Gebiete, die außer-<br />
3 Elizabeth E. Graves (1984): The Minangkabau Response to Dutch Colonial Rule in the<br />
Nineteenth Century, Monograph Series No.60, Cornell University, Ithaca, New York, S.3. Kato<br />
1982, Matriliny and Migration, S.36: diese historischen Distrikte sind nicht mit der heutigen<br />
Distrikteinteilung gleichen Namens identisch.<br />
4 Ilse Lenz (1995): Geschlechtersymmetrie als Geflecht von Frauen- und Männermacht. – Zu<br />
den Minangkabau in der vorkolonialen Epoche, in: Ilse Lenz und Ute Luig (Hrsg.), Frauenmacht<br />
ohne Herrschaft, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, S.302–329, hier S.308: bezogen<br />
auf Hans-Dieter Evers (1975): Changing Patterns of Minangkabau Urban Landownership,<br />
in: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkerkunde 131, S.86–100.