Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 209<br />
Bei der Diskussion über das Entstehen von Geheimbünden kann festgestellt werden,<br />
daß sie ganz bestimmte Funktionen innerhalb einer segmentären Gesellschaft<br />
erfüllen. Von Kubik wurde die Entstehungsgeschichte des akulavye-Geheimbundes<br />
der Mädchen im Dorf Bigene, welches im Nola-Distrikt der Zentralafrikanischen<br />
Republik nahe der Grenze zu Kamerun liegt, zusammengefaßt. Dieser Geheimbund<br />
wurde erst 1965 aus Kamerun übernommen. Die ethnische Gruppe der<br />
Mpyεm ˜⊃ lebt sowohl diesseits als auch jenseits der Kameruner Grenze und zählt<br />
zur Northern Bantu Borderland-Gruppe. 77<br />
Über die Entstehung des akulavye-Tanzes wird erzählt, daß eine Frau im Südwesten<br />
Kameruns durch die Trauer um den Tod ihres Mannes in große Not geraten<br />
sei. In den Träumen erschien er ihr immer wieder und gab ihr die Anweisung zur<br />
Begründung des akulavye-Tanzes und Instruktionen für die Mitgliedschaft, um<br />
ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben. Diese Gemeinschaft der Mädchen wird<br />
im öffentlichen akulavye-Tanz, der im Sitzen ausgeführt wird, dargestellt. Die Initiationshaltung<br />
der Mädchen ist gekennzeichnet durch gesenkten Blick, stummer<br />
und unansprechbarer Haltung, im Kreis auf Raphia-Stühlchen um die Leiterin<br />
der Zeremonie sitzend. Dabei werden Schüttelbewegungen der Beine und Schultern<br />
durchgeführt. Die Gruppenidentität entsteht durch die Abgrenzung von den<br />
übrigen Teilen der Gesellschaft, die durch die öffentlichen Auftritte gestärkt wird.<br />
Gleichaltrige Jungen sind als Instrumentalisten beteiligt. 78<br />
Die Kontakte zwischen den Dörfern haben zum Wunsch der Übernahme dieser<br />
Institution im Dorf Bigene geführt. Die Kameruner Mädchen übernahmen die<br />
Initiation und Instruktion in die Geheimnisse und die einzuhaltenden Tabus für<br />
die Mitglieder, nachdem jedes der zu initiierenden Mädchen einen bestimmten<br />
Betrag bezahlt hatte. Die Initiation erfolgte durch ” Impfung“ der Initiandinnen:<br />
durch Einschnitte an verschieden Stellen der Rückseite der Arme und durch Auftragen<br />
einer schwarzen Masse auf die Wunden. Das Ertragen von Rauch in einem<br />
abgeschlossenen Raum ohne Abzug war eine weitere Prüfung und gleichzeitig eine<br />
Phase des Überganges. 79<br />
Als Körperdekoration verwenden die Mädchen Fellstreifen einer Raubkatze und<br />
das Verhalten dieses Tieres wird im Tanz dargestellt. Damit verbunden ist das<br />
weiße Puder im Gesicht und die Rotfärbung der Lippen. Taschentücher werden<br />
um die Arme und je eines um den Kopf und den Körper gebunden. Der Kopfschmuck<br />
besteht aus Federn von einem großen Vogel namens kã und Federn vom<br />
Hahn, die mit Stoff umwickelt und mittels eines Holzgerüstes am Kopf befestigt<br />
werden. Aus Konservendosen werden Rasseln hergestellt und an den Beinen befestigt,<br />
im Inneren befinden sich erbsengroße Samen von einem Strauch. 80<br />
77 Kubik 1993, Makisi Nyau Mapiko – Maskentraditionen, S.44. Die Dokumentation erfolgte<br />
im März 1966, dabei stellte sich heraus, daß der ” Tanz“ der Mädchen Züge eines Geheimbundes<br />
hat.<br />
78Kubik 1993, Makisi Nyau Mapiko – Maskentraditionen, S.45.<br />
79 Kubik 1993, Makisi Nyau Mapiko – Maskentraditionen, S.46–47.<br />
80 Kubik 1993, Makisi Nyau Mapiko – Maskentraditionen, S.49. Siehe dazu auch im selben<br />
Buch die Abbildung auf Seite 43.