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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Familialisierung von sozialen Beziehungen 40<br />

matrilinearen <strong>Gesellschaften</strong>, von denen Beschreibungen vorliegen, die Vorstände<br />

der Haushalte, der Lineage und der Lokalgruppen gewöhnlich Männer. 95 Nach<br />

Gough spielt der Vater in allen menschlichen <strong>Gesellschaften</strong> nicht nur die Rolle<br />

des Zeugers, sondern hat auch eine soziale und ökonomische Bedeutung. In<br />

matrilinearen <strong>Gesellschaften</strong>, wo die Gruppenzugehörigkeit über die Frauen bestimmt<br />

wird, hat jedes Kind einen oder mehrere festgelegte ” Väter“. Über diese<br />

Vaterschaft besteht eine besondere soziale, häufig auch eine religiöse Beziehung. 96<br />

Neben den Nayar zählt Eickelpasch noch die Trobriander mit avunkulokaler Residenz<br />

zu dieser Form der Familienorganisation. Hier bezieht er sich auf Malinowski<br />

(1929) und Reich (1973). Für Reich signalisiert die avunkulokale Residenz<br />

der Trobriander das aufkommende Patriarchat, wobei die Gattenbeziehung in<br />

Konkurrenz zur Geschwisterbeziehung steht. 97<br />

Die ” matrilineare Familienorganisation“ bildet nach Eickelpasch eine einseitige<br />

Solidarität. Die Rolle des Ehemannes ist bei natolokaler Residenz (Nayar, Ashanti)<br />

reduziert, und beschränkt sich auf eine Art ” Besuchsgatten“. Auch in dieser<br />

Aussage findet sich ein gravierender Fehler: es gibt keine matrilineare Familienorganisation,<br />

sondern nur eine matrilineare Abstammung, d.h. matrilineare Abstammungsgruppen,<br />

die sich über die weibliche Linie der Blutsverwandten definieren!<br />

Die Kernfamilie ist weder patrilinear noch matrilinear. Sie wird<br />

zwischen zwei meist nicht verwandten Personen geschlossen, deren gemeinsame<br />

Kinder entweder zur matrilinearen oder patrilinearen Verwandtschaftsgruppe<br />

gezählt werden.<br />

(2) Die patrilineare Familienorganisation kombiniert problemlos Macht, Deszendenz<br />

und Residenz. Die Vererbung erfolgt direkt vom Vater auf den Sohn. Eickelpasch<br />

bezieht sich auf die drei Generationenhaushalte der wohlhabenden Familien<br />

in China vor der Revolution von 1911. Die Frau übersiedelt nach der Heirat in<br />

das Dorf des Ehemannes (patrilokale Residenz) und gehört ab diesem Zeitpunkt<br />

nicht mehr zur Verwandtschaftsgruppe ihres Vaters, sondern sie wird Mitglied<br />

der Verwandtschaftsgruppe ihres Ehemannes. Als Ehefrau und Mutter erhält sie<br />

einen bestimmten Status innerhalb der Lineage des Mannes. Der Vater verlangt<br />

vom Sohn absolute Unterwerfung. Frauen sind ausgeschlossen von: Grundbesitz,<br />

politischer Verantwortung und Schulbildung; die Scheidung wird der Frau nur<br />

mit Zustimmung des Ehemannes erlaubt. Von den Frauen werden die Arbeiten<br />

im Haushalt und die Pflege der Kleinkinder erwartet. 98<br />

95 Gough 1975, The Origin of the Family, S.54.<br />

96 Gough 1975, The Origin of the Family, S.53. In zwei weiteren Aufsätzen bezieht sich Gough<br />

auf die Nayar-Gesellschaft: (1) Kathleen Gough (1974a): Nayar: Central Kerala, in: David M.<br />

Schneider und Kathleen Gough (Hrsg.), Matrilineal Kinship, S.298–384. (2) Kathleen Gough<br />

(1974b): Nayar: North Kerala, in: David M. Schneider und Kathleen Gough (Hg.), Matrilineal<br />

Kinship, S.385–404.<br />

97 Eickelpasch 1974, Ist die Kernfamilie universal?, S.330–331, verweist auf: Bronislaw Malinowski<br />

(1929): The Sexual Life of Savages, New York. W. Reich (1972): Der Einbruch der<br />

sexuellen Zwangsmoral, 3.Aufl. Köln, S.59ff.<br />

98 Eickelpasch 1974, Ist die Kernfamilie universal?, S.331–332.

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