29.08.2013 Aufrufe

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 114<br />

Röder, Hummel und Kunz beziehen sich auf Bachofen, der selbst im Vorwort<br />

zum ” Mutterrecht“ anmerkt: ” Das vorliegende Buch nimmt keinen anderen Anspruch<br />

in die Öffentlichkeit mit als den, der gelehrten Forschung einen neuen,<br />

nicht leicht zu beendigenden Stoff des Nachdenkens vorzulegen.“ – Somit sei dieser<br />

Prozeß bis heute nicht abgeschlossen. Insgesamt sind nach seinem Werk bis<br />

1988 rund 1400 neue Publikationen, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen,<br />

erschienen. 168 Danach ist die Wirkung, die Bachofen bis in die Gegenwart<br />

ausübt, nicht zu unterschätzen. Die Rekonstruktion der Menschheitsgeschichte<br />

ist weiterhin ein Thema im Zusammenhang der Geschlechterbeziehungen für folgende<br />

Wissenschaftsbereiche geblieben: Rechtsgeschichte (z.B. Uwe Wesel), Alte<br />

Geschichte, Klassische Philologie, Wissenschaftsgeschichte, Altertumswissenschaft,<br />

Religionswissenschaft (Susanne Heine), Philosophie und Psychologie. Die<br />

Ur- und Frühgeschichte hätte sich – so die drei Autorinnen – bisher an dieser<br />

Diskussion aber nicht beteiligt, deshalb versuchen Röder, Hummel und Kunz sich<br />

als Archäologinnen dem Thema zu nähern. Anscheinend glaubten sie wirklich,<br />

anhand von Artefakten einen Beweis über das Vorhandensein einer mutterrechtlichen<br />

oder – wie sie es nennen – ” mutterzentrierten“ Gesellschaft zu finden. 169<br />

In der Aufzählung der Wissenschaftsbereiche fehlen aber – meines Erachtens –<br />

zwei wesentliche Richtungen: Soziologie und vor allem die Ethnologie.<br />

In der feministischen Literatur wurden und werden die Ursachen der Benachteiligung<br />

der Frau intensiv und zum Teil kontrovers diskutiert. Einige vermutete<br />

Gründe sind in der vorliegenden Arbeit bereits besprochen worden: biologische<br />

Ursachen wie z.B. der Geschlechtsdimorphismus und Neotenie. In diesem Zusammenhang<br />

verweisen die Archäologinnen auf Borneman, der zur Befreiung der Frau<br />

folgendes schreibt:<br />

Die politische Befreiung der Frau gelingt nur durch ihre biologische Befreiung<br />

von ” Menstruation, Schwangerschaft, Verwundbarkeit der Mammae.<br />

Ehe wir nicht alle drei beseitigt haben, kann es keine Gleichheit der Geschlechter<br />

geben“. 170<br />

Die Kritik trifft Borneman in noch stärkerem Ausmaß, da er sich mit seiner<br />

Aussage auf ein Niveau begibt, daß eigentlich im 19. Jahrhundert abgeschlossen<br />

hätte sein müssen. Er glaubte anscheinend, ebenso wie Bachofen, die bestehende<br />

männliche Gesellschaftsordnung erneut als ” gegeben“ bestätigen zu müssen, ohne<br />

auch nur im Ansatz die bisher dazu erschienene amerikanische Literatur wie<br />

168 Röder et al. 1996, Göttinnendämmerung, S.26–27; beziehen sich auf Hans-Jürgen Hildebrandt<br />

(1988): Das Matriarchat. Zur Geschichte und Struktur eines Problems, in: H.-J. Hildebrandt<br />

(Hrsg.) Johann Jakob Bachofen. Die Primär- und Sekundärliteratur. Mit einem Anhang<br />

zum gegenwärtigen Stand der Matriarchatsfrage, Aachen, S.175–191.<br />

169 Röder et al. 1996, Göttinnendämmerung, S.27.<br />

170 Röder et al. 1996, Göttinnendämmerung, S.66; zit. Ernest Borneman (1975): Das Patriarchat.<br />

Ursprung und Zukunft unseres Gesellschaftssystems, Frankfurt am Main, S.527, 20, 543;<br />

531.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!