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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 91<br />

muß sich an Klima, Wirtschaft, Traditionen, Sitten und Religion anpassen, die in<br />

einer bestimmten Gesellschaft vorherrschend sind. 100<br />

Unter Friedrich dem Großen begann auch in den deutschen Ländern – nach 1740<br />

– die Kodifizierung; es entstand das erste in deutscher Sprache verfaßte Gesetzbuch.<br />

Die endgültige Fassung des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Länder<br />

(ALR) trat 1794 in Kraft. Dieses umfaßt 19000 Paragraphen, die sowohl das<br />

Privatrecht als auch das öffentliche Recht, Strafrecht, Lehensrecht, Kirchenrecht<br />

und Handelsrecht umfaßten. Hierin waren auch Regelungen der persönlichen Beziehungen<br />

zwischen Ehegatten enthalten. In Österreich war die Vereinheitlichung<br />

des Rechts besonders drängend. Kaiser Karl V. veranlaßte die ” Neue Satzung und<br />

Ordnung vom Erbrecht ausser Testament“, eine auf justinianischem Recht beruhende<br />

Vereinheitlichung des gesetzlichen Erbrechts. Diese wurde in Ober- und<br />

Niederösterreich zwischen 1727 und 1747 in Kraft gesetzt. Unter Maria Theresia<br />

kam es zur umfassenden Kodifikation. Der sogenannte Codex Theresianus von<br />

1766 war ein Kompromiß zwischen den herkömmlichen Rechten der einzelnen<br />

Territorien und den römisch-rechtlichen Elementen. 101<br />

Das berühmteste Produkt der Kodifikationsbewegung steht in Verbindung mit<br />

den Zielen der Französischen Revolution. – Der Code civil sollte ein einfaches und<br />

kurzes Gesetzbuch darstellen, mit den Prinzipien von Freiheit, Gleichheit und<br />

Brüderlichkeit. Die Vorarbeiten dafür hatte Robert Joseph Pothier (1699–1772)<br />

geleistet. Im 19. Jahrhundert wurden Pothiers ” Obligationen“ in ganz Europa<br />

zum Vorbild für Abhandlungen über spezielle juristische Gegenstände. 102<br />

Der Code civil behandelt in drei Büchern folgende Rechtsmaterien: 1. die Person;<br />

2. die Sachen, insbesondere das Eigentum (beschränkt dingliche Rechte); 3. die<br />

verschiedenen Arten des Erwerbs von Eigentum; schließlich enthält es jene Regeln,<br />

die in den vorhergehenden Büchern nicht eingeordnet werden konnten. 103<br />

Das eindrucksvolle Wiederaufleben des römischen Rechts im frühen 19. Jahrhundert<br />

steht in Verbindung mit der Reaktion“ gegen die Kodifikation und den da-<br />

”<br />

mit verbundenen Rechtsdenken. Edward Gibbons gab in diesem Zusammenhang<br />

” Decline and Fall of the Roman Empire“ (Niedergang und Fall des Römischen<br />

Reiches, die ersten drei Bände erschienen 1776), heraus und schreibt im 45. Kapitel,<br />

daß die Rechte einer Nation der aufschlußreichste Teil ihrer Geschichte“<br />

”<br />

seien. 104 Von Gustav Hugo, Professor des römischen Rechts in Göttingen, wurde<br />

dieses Kapitel ins Deutsche übersetzt.<br />

Bereits hier werden die Bezüge zum klassischen ethnologischen Evolutionismus<br />

deutlich, die sich häufig mit der Entstehung des Privateigentums mit anderen<br />

gesellschaftlichen Institutionen beschäftigten, z.B. die Schrift von Friedrich Engels<br />

100 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.182.<br />

101 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.183–185.<br />

102 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.187–188.<br />

103 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.189.<br />

104 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.190.

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