Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 139<br />
Jagd. 53 In einigen segmentären <strong>Gesellschaften</strong> ist es sogar den Frauen strengstens<br />
untersagt, überhaupt Waffen zu berühren. Das betrifft sowohl den Wettkampf mit<br />
Waffen, als auch ohne Waffen, z.B. konkurrenzierende Sportaktivitäten wie Ringen,<br />
Pferderennen, oder das Duell und andere Formen des individuellen Kampfes<br />
zum Messen der Stärke des einzelnen. Frauen beteiligen sich äußerst selten bei<br />
Sportveranstaltungen innerhalb der eigenen Gruppe und es gibt überhaupt keinen<br />
Beweis, daß sie sich irgendwo und irgendwann mit Männer gemessen hätten. 54<br />
Die materielle, häusliche, politische und militärische Unterordnung der Frauen ist<br />
zusätzlich mit den rituellen und ideologischen Sphären gekoppelt und gemeinsam<br />
führt dies zu einer sukzessiven Minderstellung der Frauen. Menstruierende Frauen<br />
werden als unrein angesehen und der weitverbreitete Glaube, daß das Menstruationsblut<br />
auch andere, die mit diesen Frauen in Berührung kommen, verunreinigt,<br />
führt zu weiteren Diskriminierungen. Die Bevorzugung der männlichen Kinder in<br />
segmentären <strong>Gesellschaften</strong> (nicht nur in diesen) verstärkt noch zusätzlich die<br />
männliche Vormachtstellung. Nach Simmons (1937) werden Knaben bei 66 % der<br />
Fälle bevorzugt und dies wiederum ist häufig damit verbunden, daß das erstgeborene<br />
Kind männlich sein muß. 55 Wo liegen nun die Ursachen dieses Wunsches<br />
nach männlichen Nachkommen? Eine Untersuchung von 160 Band- und Dorfgesellschaften<br />
hat ergeben, daß die Austragung von schwerwiegenden Konflikten<br />
zwischen einzelnen Gruppen weiterhin durch Kriegführung gelöst werden, auch<br />
wenn sie Kontakte zu staatlichen Institutionen haben. Im Alter von 14 Jahren<br />
und jünger ist die Geschlechterverteilung nach Divale 56 (1972) bei Jäger- und<br />
Sammlergesellschaften 128 Knaben zu 100 Mädchen, die durchschnittliche Zahl<br />
bei den Neugeboren liegt bei 105,5 männlichen und 100 weiblichen Babies. 57<br />
Die häufigste Erklärung für die Vormachtstellung der Männer war bisher immer<br />
wieder der Geschlechtsdimorphismus. Diese Hypthothese erklärt aber nur einen<br />
kleinen Bereich des Gesamtkomplexes. Damit könnte vielleicht noch die männliche<br />
Vormacht im häuslichen, politischen, religiösen, ökonomischen und militärischen<br />
Bereich erklärt werden, aber nicht die Bevorzugung männlicher Nachkommen.<br />
Denn gerade bei Polygynie müßten eigentlich mehr Frauen im reproduktionsfähigen<br />
Alter vorhanden sein und für Jäger- und Sammlergesellschaften konnte bewiesen<br />
werden, daß Frauen wesentlich produktiver sind. 58<br />
53Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.524.<br />
54Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.524–<br />
525.<br />
55Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.525;<br />
Divale und Harris zitieren dazu: Leo W. Simmons (1937): Statistical Correlations in the Science<br />
of Society, in: G.P. Murdock (ed.), <strong>Studies</strong> in the Science of Society, Yale University Press, New<br />
Haven, S.495–517, hier insbes. S.495.<br />
56William Tulio Divale (1972): Systemic Population Control in the Middle and Upper Palaeolithic:<br />
Inferences Based on Contemporary Hunter-Gatherers, in: World Archaelogy, 4:222–243.<br />
57Ralph Thomlinson (1965): Population Dynamics, McGraw-Hill, New York, S.49, zit.n. Divale<br />
und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.525.<br />
58Richard B. Lee (1972): The !Kung Bushmen of Botswana, in: M.G. Bichiere (Hg.), Hunters<br />
and Gatherers Today, Holt, Rinehart and Winston, New York, S.327–367. In der vorliegenden