29.08.2013 Aufrufe

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 233<br />

den Ehemann: durch die Heirat wird er von seiner matrilinearen Verwandtschaft<br />

getrennt, d.h. auch von seinem Mutterbruder, dessen Position er einmal einnehmen<br />

wird. Er ist ökonomisch von der Verwandtschaft seiner Frau abhängig, für<br />

die er arbeitet und wird von ihnen kontrolliert. Manchmal wird diese Situation so<br />

belastend empfunden, daß der Ehemann sich für die Auflösung der Ehe entscheidet<br />

und in sein Dorf zurückkehrt. Diese schwierige Situation des Ehemannes ist<br />

innerhalb der Dorfgemeinschaft bekannt; um sie erträglicher zu gestalten, werden<br />

darüber häufig Scherze gemacht. Dem Ehemann wird dadurch ein gewisses<br />

Mitgefühl vermittelt. Übersteht er das erste Jahr, wird die Ehe als stabil angesehen.<br />

Beide Ehepartner haben dann bewiesen, daß sie fähig sind, ein gemeinsames<br />

Eheleben zu führen und steigen damit in der Achtung beider Familien. Eine dauerhafte<br />

Ehe wird innerhalb der Gesellschaft sehr geschätzt. Deshalb besteht auch<br />

nach der Probezeit eine gewisse Wahlfreiheit über den zukünftigen Wohnort des<br />

Paares. Sollte die Ehefrau ins Dorf des Mannes ziehen, dann bedeutet das, daß<br />

ihre verheirateten Töchter später auch bei ihr leben werden, also matrilokal. Da<br />

aber ein Ortswechsel für beide Ehepartner mit der Trennung der eigenen matrilinearen<br />

Verwandtschaft verbunden wäre, wird die Kreuzcousinenheirat bevorzugt,<br />

d.h. die Heirat der Tochter der Schwester des Vaters schließt einen Wohnortwechsel<br />

für beide aus. 147<br />

Die Basis einer stabilen Ehe bildet eine ausgeglichene Beziehung zwischen den<br />

beiden Verwandtschaftsgruppen der Ehepartner. Das Verhältnis beruht auf der<br />

Teilung von ökonomischen Aufgaben. Einerseits unterstützt der Bräutigam die<br />

Familie seiner Braut durch seine Arbeitsleistungen, andererseits wird er von dieser<br />

Familie ernährt und muß mit Respekt behandelt werden. Einer Ehe gehen<br />

Verhandlungen zwischen den beteiligten Familien voraus. Üblicherweise bezahlt<br />

der Bräutigam die Organisation von chisungu seiner Braut: entweder übergibt er<br />

ein Rindenkleid oder übernimmt die Bezahlung der Lehrerin für das ” Eintanzen<br />

seiner Braut“. Es werden nur kleine Geldbeträge gegeben, keine Rinder wie bei<br />

den südlichen und östlichen Bantu-Gruppen. Nach Richards gibt es für die erste<br />

Ehe eines Mädchens sechs zeremonielle Abschnitte als Vorbereitung: (1) Verlobung<br />

(ukukobeka): sie stellt noch keine feste Verbindung dar und wird häufig in<br />

der Kindheit geschlossen. Es wird ein Verlobungsgeschenk (nsalamo) erwartet<br />

(früher war es ein Kupferarmreifen, danach eine kleine Münze). Während der<br />

Verlobungsfeier tauschen die beiden Familien Bier und gekochtes Essen aus. (2)<br />

Umwerbungsbesuch (ukwishisha): die Braut besucht mit Freunden das Dorf des<br />

Bräutigams. Ihr sind strenge Verhaltensregeln auferlegt, wenn sie kurz vor der Pubertät<br />

steht. Dem Bräutigam wird ein kleines Geschenk übergeben; erhält sie ein<br />

Gegengeschenk, darf sie mit ihm sprechen. (3) Wohnortwechsel des Knaben: mit<br />

dem Eintritt der physischen Pubertät übersiedelt der Knabe ins Dorf der Braut.<br />

Er baut sich eine eigene Hütte und arbeitet für die Brautfamilie. (4) Zeremonielles<br />

Anbieten von gekochter Nahrung: unter gebührendem Respekt und Einhalten<br />

strenger Vorschriften wird dem Bräutigam Nahrung angeboten. Beide Familien<br />

147 Richards 1982, Chisungu, S.43.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!