Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 208<br />
Allen <strong>Gesellschaften</strong> der Welt ist gemeinsam, daß es bestimmte Zeremonien für<br />
den Übergang von einem zum anderen Gesellschaftszustand gibt (meist religiöse<br />
Zeremonien z.B. bei Geburt, Heirat und Tod eines Individuums). In traditionellen<br />
<strong>Gesellschaften</strong> wird diesen Übergangsphasen aber wesentlich größere Bedeutung<br />
geschenkt. Wie wir noch sehen werden, sind in der besprochenen Region die<br />
weiblichen Initiationsriten hoch organisiert.<br />
4.4.1 Maskentraditionen und Geheimbünde<br />
Nach Kubik könnten die Gründe für das Festhalten an den Maskentraditionen<br />
durch die regionalen Gegebenheiten begünstigt worden sein. In den angrenzenden<br />
Regionen, wie z.B. das ostafrikanische Zwischenseengebiet, der größte Teil<br />
Ostafrikas und auch in Südafrika, sind keine Maskentraditionen vorhanden. Diese<br />
<strong>Gesellschaften</strong> sind aber auch nicht nach matrilinearen Abstammungsgruppen<br />
organisiert und bevorzugen virilokale Maritalresidenz. Als Gründe für das Fehlen<br />
von Maskentraditionen könnten nach Kubik folgende genannt werden:<br />
1. Es gab auch in diesen Gebieten Maskentraditionen, die aber durch den<br />
Einfluß von Hirtennomaden aus dem nilo-saharanischen und dem afroasiatischen<br />
Sprachraum – die eine bedeutende Migrationsbewegung ins<br />
südliche Afrika ausgelöst haben – verschwunden sein könnten.<br />
2. Die zwischen 1000 und 400 v.Chr entlang des nördlichen zentralafrikanischen<br />
Waldrandes von Westen nach Osten vordringende bantu-sprachige<br />
Bevölkerung bestand aus Gruppen, die innerhalb des sogenannten Bantu-<br />
Nukleus in Ostnigeria und Westkamerun zur Zeit der Auswanderung keine<br />
Maskentraditionen besaßen. Das würde bedeuten, daß die Maskentraditionen<br />
überhaupt erst mit den späteren ” Migrationen oder Wellen kultureller<br />
Diffusion aus dem südnigerianischen Raum langsam in das bantu-sprachige<br />
Afrika eingeflossen“ sei könnten.<br />
3. Eine Bevölkerungsexplosion in Katanga um ca. 1000–1100 n.Chr. könnte die<br />
Wanderungsbewegung einerseits in Richtung Ostangola (Lunda/Cockwe-<br />
Komplex), andererseits in Richtung des Malaˆwi-Sees bis ins Ruvuma-Tal<br />
ausgelöst haben. Daraus bildete sich nach Adaption der eingewanderten<br />
Bevölkerung das heutige Bild des matrilinearen Gürtels in Verbindung mit<br />
den Maskentraditionen. 76<br />
76 Kubik 1993, Makisi Nyau Mapiko – Maskentraditionen, S.59. Die Vermutung, daß zur Zeit<br />
der Auswanderung die matrilineare Sozialordnung bereits bestanden hat, wäre nach der Hypothese<br />
von Divale eher unwahrscheinlich und deshalb Punkt 3 der Aufzählung am ehesten<br />
anzunehmen: Bevölkerungsexplosion – Massenmigration – Neuansiedlung, verbunden mit kriegerischen<br />
Auseinandersetzungen – bevorzugte Uxorilokalität, bilaterale Deszendenz – externale<br />
Kriegführung – matrilokale Residenz, matrilineare Deszendenz.