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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Familialisierung von sozialen Beziehungen 61<br />

jederzeit hörbar, nicht einmal die Schlafstelle ist privat. Alle Familienmitglieder<br />

schlafen rund um die Feuerstelle im Freien. Die Intensität der sozialen Kontrolle<br />

– kombiniert mit der Abwesenheit von Privatheit – läßt weder Vorherrschaft<br />

gegenüber anderen noch das Anhäufen von virtuellen oder materiellen Gütern<br />

zu. Unmittelbare Kommunikation bestimmt diese face-to-face Gesellschaft. Geschlechtsspezifische<br />

Arbeitsteilung ist vorhanden, aber diese wird nicht rigide eingehalten.<br />

Ehen können jederzeit geschlossen aber auch ohne besonderes Aufheben<br />

wieder gelöst werden. Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern sind wesentlich<br />

flexibler, da die Verwandtschaft eine untergeordnete Rolle spielt. Jedes Paar<br />

trägt die Verantwortung für sich und die gemeinsamen Kinder. Die Gesellschaftsorganisation<br />

ist egalitär: autoritäres Verhalten wird sowohl zwischen den Männern<br />

als auch zwischen Männern und Frauen sanktioniert. Kinder treffen in vielen Bereichen<br />

selbst ihre Entscheidungen, unabhängig von der Meinung ihrer Eltern.<br />

Bei den seßhaften !Kung entstanden individuelle Haushalte mit Privatheit. Den<br />

materiellen Gütern wird große Aufmerksamkeit geschenkt und dadurch entstehen<br />

Unterschiede in den Besitzverhältnissen der einzelnen Familien. Die Häuser werden<br />

umzäunt, nicht wegen der Tiere, sondern damit größere Abstände zwischen<br />

den Häusern entstehen. Von den Dorfbewohnern selbst wird aber gesagt, daß sie<br />

die Schutzzäune deshalb errichten, um alle Tiere von ihren Häusern fernzuhalten.<br />

Die Bauweise der Häuser veränderte sich, und zwar sowohl die Niederlassungsmuster<br />

als auch die Abgrenzung zwischen den Häusern durch die Zäue. Es findet<br />

dabei eine Anlehnung an die Bauweise der Bantu-Bevölkerung statt: es wird solide<br />

und geräumig gebaut und natürlich umzäunt. Dadurch verändert sich die Qualität<br />

der sozialen Interaktion. Es entstehen materielle als auch Status-Unterschiede zwischen<br />

den Dorfbewohnern. Dies würde im Busch niemals akzeptiert werden. 163<br />

Die sozialen Veränderungen und Einschränkungen in ihrer Bewegungsfreiheit treffen<br />

vor allem die weiblichen Dorfmitglieder. Bereits in der Kindheit wird die geschlechtsspezifische<br />

Arbeitsteilung anerzogen: Mädchen sind vor allem mit Tätigkeiten<br />

im Haus beschäftigt, stehen unter der ständigen Kontrolle der erwachsenen<br />

Frauen und haben kaum die Möglichkeit sich vom Dorf zu entfernen. Sie können<br />

nicht wie ihre männlichen Geschwister unbeschwert im Busch herumstreifen und<br />

selbst Erfahrungen sammeln, sondern sie müssen ihre jüngeren Geschwister beaufsichtigen,<br />

ihre Mütter bei der Arbeit unterstützen usw. Ihr Alltag ist bereits<br />

im Kindesalter bestimmt durch die geschlechtsspezifisch zugeordneten Aufgaben<br />

und die Verantwortung, die sie über ihre jüngeren Geschwister tragen müssen.<br />

163 Draper 1975, !Kung Women, S.104–105.

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