Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 173<br />
Mrs. Jemison erhielt den Namen Dickewamis und wurde danach wie ein Kind<br />
behandelt, das lange als verschollen galt. Nach der Zeremonie war sie ein gleichberechtigtes<br />
Mitglied in ihrer neuen Familie und nahm das Verhalten und die<br />
Sitten der Seneca-Frauen an.<br />
Über das Recht der Adoption schreibt Morgan, daß Kriegsgefangene entweder<br />
getötet oder durch Adoption zu einem neuen Mitglied einer Gens werden konnten:<br />
” Gefangene Weiber und Kinder wurden gewöhnlich auf diese Form begnadigt“.<br />
Durch die Adoption erhielt die adoptierte Person sowohl Gentilrechte als auch<br />
die Nationalität des Stammes. Sklaverei war unbekannt. – Dies führt Morgan<br />
darauf zurück, daß diese erst in der Oberstufe der Barbarei“ entstehe und die<br />
”<br />
Irokesen diese Stufe noch nicht erreicht hätten, sondern noch in der Unterstufe<br />
”<br />
der Barbarei“ stehen würden. 161<br />
Lewis Henry Morgan beschreibt seine eigene Adoption in die Falkengens der Seneca,<br />
jedoch zu diesem Zeitpunkt waren bereits viele Veränderungen vollzogen: die<br />
Seneca lebten in Reservaten und das Langhaus war verschwunden. Zum Vergleich<br />
der beiden sehr unterschiedlich geschilderten Zeremonien wird auch seine Version<br />
in der Übersetzung zitiert:<br />
Nachdem das Volk im Rathause sich versammelt hatte, hielt einer der<br />
Häuptlinge eine Ansprache, worin er über die Person des zu Adoptierenden<br />
Angaben machte, den Grund seiner Adoption, den Namen und die Gens<br />
des Adoptierenden, sowie den dem Novizen gegebenen Namen mitteilte.<br />
Darauf nahmen diesen zwei Häuptlinge unter dem Arm und schritten mit<br />
ihm durch das Rathaus und wieder zurück, wobei sie den Adoptionsgesang<br />
sangen. Am Ende eines jeden Verses fiel die Versammlung ein und sang den<br />
Chor mit. Der Marsch wurde <strong>for</strong>tgesetzt, bis die Verse ausgesungen waren,<br />
es er<strong>for</strong>derte dies drei Rundgänge. Damit schloß die Zeremonie. Weiße werden<br />
mitunter aus Höflichkeit adoptiert. So wurde ich auf diese Weise vor<br />
einigen Jahren in die Falkengens der Senecas aufgenommen, wobei diese<br />
Zeremonie auch mir widerfuhr. 162<br />
In Verbindung mit der Adoption stand nach Morgan das ” Spießrutenlaufen“. Nur<br />
derjenige, der durch Unerschrockenheit oder Begünstigung mit heiler Haut davon<br />
kam, hatte die Chance, adoptiert zu werden. Weiters weist Morgan darauf<br />
hin, daß der Adoptierte häufig den Platz eines Verstorbenen oder Getöteten einnahm,<br />
um Lücken in der Verwandtschaft aufzufüllen. Dadurch konnte eine Gens<br />
vor dem Aussterben gerettet werden, wie z.B. die ” Falkengens“ der Seneca: im<br />
gegenseitigen Einverständnis wurde die Anzahl der Personen festgelegt, die von<br />
der ” Wolfsgens“ in die ” Falkengens“ in corpore durch Adoption aufgenommen<br />
werden konnten. 163<br />
161 Lewis Henry Morgan (1987): Die Urgesellschaft. Untersuchungen über den Fortschritt der<br />
Menschheit aus der Wildheit durch die Barbarei zur Zivilisation, aus dem Englischen übersetzt<br />
von W. Eichhoff unter Mitwirkung von Karl Kautsky, Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1908;<br />
Promedia Druck und Verlagsges.m.b.H., Wien, S.68.<br />
162 Morgan 1987, Die Urgesellschaft, Wien, S.69, Fußnote 20.<br />
163 Morgan 1987, Die Urgesellschaft, S.68.