Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 157<br />
Konföderationen finden nicht mehr statt, d.h. die Männer leben wieder mehrheitlich<br />
im Kernfamilienverband. Morgan hat zu vielen Mißverständnissen beigetragen,<br />
da er die von ihm vorgefundene Situation – dabei vorwiegend die männliche<br />
Seite – beschrieben hat. Durch die Übersiedlung in die Reservate ist z.B. das<br />
Langhaus verschwunden (nach 1800 gab es kein einziges mehr), damit verbunden<br />
die Uxorilokalität und die Arbeitsgemeinschaften der Frauen.<br />
Die Schilderung der Lebensgeschichte von Mrs. Mary Jemison stellt die weibliche<br />
Sicht dar, da sie selbst innerhalb des Stammes der Seneca gelebt hat und<br />
die euro-amerikanische Gesellschaft kannte. Sie erzählt ihre unterschiedlichen Lebensabschnitte:<br />
die Gefangennahme, ihre Adoption, die Ehe mit ihrem ersten<br />
Ehemann, She-nin-jee, die Geburt ihres ersten Kindes und dessen Tod, die Erziehung<br />
ihrer nachfolgenden Kinder, deren Konflikte untereinander und die beiden<br />
Ehen die sie nacheinander mit Seneca-Männern eingegangen war.<br />
Im November 1823 erzählte Mary Jemison (1742/43–1833) im Alter von 80 Jahren<br />
– innerhalb von drei Tagen – ihre gesamte Lebensgeschichte, in einwandfreien<br />
Englisch, mit leichtem irischen Akzent dem örtlichen Arzt, James E. Seaver.<br />
Dieser lebte vier Meilen von Mrs. Jemisons Wohnort entfernt, in der Nähe von<br />
Gardeau beim Genesee River in Zentral New York. 106<br />
Ihre Lebenserinnerung umfaßt mehr als 70 Jahre; in der Reihenfolge der Ereignisse<br />
kommen kleine Fehler vor, wie Seavers anmerkt, aber sie sind für den<br />
Eindruck, den Mrs. Jemison vermittelt, unbedeutend. Mrs. Mary Jemison lebte<br />
fast ein Jahrhundert und starb im Alter von 90 Jahren als Großmutter in der<br />
Gemeinschaft der Seneca in der Buffalo Creek Reservation im nördlichen Bundesstaat<br />
New York. Sie lebte während großer historischer Veränderungen, durchlief<br />
zwei Ehen, gebar 8 Kinder und lebte in drei verschiedenen Gesellschafts<strong>for</strong>men:<br />
(1) in Pennsylvania der Kolonialübergangszeit, (2) in der Mitte bis ins späte 18.<br />
Jahrhundert bei den Seneca, und (3) in der frühen industriellen amerikanischen<br />
Republik. James Everett Seaver (1787–1827) veröffentlichte die Monographie ” A<br />
Narrative of the Life of Mrs. Mary Jemison“ 1824, die in 16 Kapiteln unterteilt<br />
ist. Seither sind unzählige weitere Auflagen von verschiedenen Herausgebern<br />
gefolgt. Die in dieser Arbeit verwendete Ausgabe wurde vom Historiker June<br />
Namis herausgegeben. Er schrieb seine Doktorarbeit über Erzählungen zum Thema<br />
” Gefangennahme und Eroberung“, in diesem Zusammenhang las er erstmals<br />
Mrs. Mary Jemisons Lebensgeschichte. Sein Ziel war es, ihre Erzählung einem<br />
breiteren Publikum zugänglich zu machen. Er beschäftigte sich ausführlich mit<br />
der Thematik und folgte der Ausgabe von 1824, einschließlich der ursprünglichen<br />
Orthographie, aber mit Korrekturen in der Rechtschreibung. Damit folgte Namias,<br />
so weit wie möglich, den von Mrs. Jemison selbst gewählten Worten. Frühere<br />
106 James Everett Seaver (1995): Authors Introduction, Reprint der Einleitung von 1824, in:<br />
June Namias (Hg.), A Narrative of the Life of Mrs. Mary Jemison, S.53–56; und Peter Nabokov<br />
(Hg.) (1991): Native American Testimony. – A Chronicle of Indian-White Relations from<br />
Prophecy to the Present, 1492–1992, Kapitel 5: Mary Jemison Becames an Iroquois, Penguin<br />
Group, New York, S.73–78.