Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 150<br />
Sollte diese Theorie korrekt sein, dann wäre zu erwarten, daß ein Vergleich<br />
von patrilokalen <strong>Gesellschaften</strong> mit matrilokalen <strong>Gesellschaften</strong>, die vor nicht<br />
allzu langer Zeit in eine Region emigrierten, ihre Kriegführungsmuster von<br />
internaler zur externalen geändert haben müßten. Divale konnte an seinem<br />
Sampel von 43 <strong>Gesellschaften</strong> eine signifikante Verbindung feststellen. Diejenigen,<br />
die während der letzten 500 Jahre in ihr heutiges Siedlungsgebiet<br />
migrierten, wiesen alle vorwiegend matrilokale Residenz auf. Eine einzige<br />
Gruppe bildete eine Ausnahme: die Zuñi migrierten nicht während der letzten<br />
500 Jahre, folgten aber trotzdem vorwiegend matrilokalen Residenzregeln. Diese<br />
Abweichung im postmaritalen Verhalten der Zuñi kann nach Divale dadurch erklärt<br />
werden, daß die benachbarten Navaho und Apachen erst vor kurzem in diese<br />
Region migrierten. Die Bedingungen des Ungleichgewichts, die für die Entwicklung<br />
von Matrilokalität ausgewählt wurden, hatten sich für beide, die Migranten<br />
und die ansässige Bevölkerung, durchgesetzt. 90<br />
Divale verwendet eine zweite Forschungsstrategie, um eine mögliche einseitige<br />
Ausrichtung seiner Untersuchung auszuschließen; er schloß einen Sprachvergleich<br />
ein. Er nahm hypothetisch an, daß, wenn eine Gesellschaft kurz vorher<br />
in eine Region immigrierte, dann dürfte sie sprachlich keine Beziehung zu der<br />
seit langem ansässigen benachbarten Bevölkerung haben. Die Überprüfung ergab,<br />
daß tatsächlich alle matrilokalen <strong>Gesellschaften</strong> des besprochenen Sampels<br />
keine sprachlichen Beziehungen zu den Nachbarethnien aufwiesen; damit konnten<br />
auch erstmals die Gruppe der Zuñi einwandfrei zu den übrigen matrilokalen<br />
<strong>Gesellschaften</strong> zugeordnet werden. Aber auch die Überprüfung der zweiten Annahme,<br />
daß matrilokale <strong>Gesellschaften</strong> nur externale Kriegführung üben, konnte<br />
ebenfalls bestätigt werden. 91<br />
Abschließend bemerkt Divale, daß wenn die strukturelle Instabilität von matrilinearen<br />
und matrilokalen sozialen Strukturen anhalten, die durch den Konflikt<br />
zwischen männlicher Autorität und frauenorientierter Residenz entstehen,<br />
sich nach der externalen Kriegführung wieder ein neues Gleichgewicht entwickeln<br />
kann. Dann aber unterliegen diese <strong>Gesellschaften</strong> einer Reihe von Veränderungen,<br />
die wieder zu einer bevorzugten patrilokalen Residenz und daran anschließend<br />
zur patrilinearen Deszendenz führen können. Dieser Übergang eines matrilokalen/matrilinearen<br />
Zyklus wird von Divale auf eine Periode zwischen 1000 bis 2000<br />
Jahre geschätzt. 92 Zu ergänzen ist in diesem Zusammenhang aber, daß der Übergang<br />
von einer uxorilokalen und matrilinearen Gesellschaft durch äußere Einflüsse<br />
beschleunigt werden kann. Als Beispiel sind die nordamerikanischen Indianer zu<br />
nennen, die im folgenden Abschnitt behandelt werden.<br />
90 Divale 1975, An Explanation <strong>for</strong> Matrilocal Residence, S.105.<br />
91 Divale 1975, An Explanation <strong>for</strong> Matrilocal Residence, S.105–106. Siehe dazu weiters Tabelle<br />
3: Sprachliche Unterschiede gegenüber Nachbarn in Verbindung mit matrilokaler Residenz,<br />
S.105, Tabelle 4: Externale Kriegführung und matrilokale Residenz, S.106.<br />
92 Divale 1975, An Explanation <strong>for</strong> Matrilocal Residence, Graphik 5: Darstellung des matrilokalen/matrilinearen<br />
Zyklus S.107. Diese Graphik wurde in der vorliegenden Arbeit von Divale<br />
übernommen; siehe dazu die Zusammenfassung, Seite 294.