Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 148<br />
Die Mehrheit der Autoren, die sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben<br />
– so auch Keith und Charlotte Otterbein – nehmen an, daß patrilokal organisierte<br />
<strong>Gesellschaften</strong> vorwiegend durch ständige Disharmonie charakterisiert werden<br />
können. Die häufigen Konflikte werden sowohl innerhalb der lokalen Gemeinschaft<br />
in Form von Fehden als auch durch internale Kriegführung gelöst. Van<br />
Velzen und Van Wetering (1960) fanden heraus, daß matrilokale <strong>Gesellschaften</strong><br />
dazu im krassen Widerspruch stehen, denn <strong>Gesellschaften</strong> mit dieser Residenzregel<br />
tendiere eher dazu, kaum Fehden untereinander zu führen und scheinen innerhalb<br />
ein wesentlich friedlicheres Verhalten aufzuweisen als patrilokal organisierte<br />
<strong>Gesellschaften</strong>. 86<br />
Zusammenfassend kann aus der Literatur geschlossen werden, daß <strong>Gesellschaften</strong><br />
mit vorwiegend uxorilokaler Maritalresidenz ihre Feindschaft fast ausschließlich<br />
gegen Außenstehende richten und kaum interne Kriege führen. Divale nimmt<br />
daher an, daß <strong>Gesellschaften</strong> mit bevorzugter Uxorilokalität durch innere Harmonie<br />
zu charakterisieren seien, d.h. Fehdeführung zwischen Nachbarn nur in<br />
Ausnahmefällen vorkommt. Diese unterschiedlichen Formen der Austragung von<br />
Konflikten benutzte Dival als Grundlage für seine statistische Überprüfung. 87<br />
Divale geht bei seiner Theorie davon aus, daß es in segmentären <strong>Gesellschaften</strong><br />
immer wieder zu größeren Migrationsbewegungen gekommen ist, in welchen teils<br />
ganze Stämme oder auch nur Teile von diesen in andere Regionen zogen, welche<br />
jedoch ihrerseits nicht ” menschenleer“ waren. Die Ursachen für eine Migration<br />
können vielfältig sein, Divale nennt folgende:<br />
1. Überbevölkerung: Bevölkerungsdruck, der sich auch auf die Nachbarethnien<br />
ausweitet, sei ein sehr wahrscheinlicher Grund.<br />
2. Neue Technologien: Die Einführung neuer Methoden der Subsistenzwirtschaft<br />
erlaubt die Ausnutzung von bisher ungenutzten Ressourcen.<br />
3. Die Europäische Kolonisation: Ausdehnung in neue Regionen der Welt<br />
zwangen die ansässigen Bevölkerungsgruppen, sich enger zusammenzudrängen,<br />
aber auch untereinander solidarischer zu handeln und Feindschaften<br />
eher gegen andere, z.B. auf Kolonialbeamte, zu richten. 88<br />
Wanderungen von großen Bevölkerungsgruppen in bereits bewohnte Gebiete<br />
sind immer mit Konflikten verbunden. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht<br />
81(3), S.18, S.20.<br />
86 Divale 1975, An Explanation <strong>for</strong> Matrilocal Residence, S.102; Literaturhinweis auf: Thoden<br />
Van Velzen und W. Van Wetering (1960): Residence, Power Groups and Intrasocietal Aggression,<br />
in: International Archives of Ethnography, 49:169–200. Zu ähnlichen Ergebnisse siehe auch<br />
die Arbeiten von: M. Noberini (1966): Ethnocentrism and Feuding: A Cross Cultural Study, unpublished<br />
master’s thesis, University of Chicago. Melvin Ember und Carol Ember (1971): The<br />
Conditions Favoring Matrilocal versus Patrilocal Residence, American Anthropologist, 73:571–<br />
594. William Tulio Divale (1974b): The Causes of Matrilocal Residence: A Cross-ethnohistorical<br />
Study, unveröffentlichte Dissertation, State University of New York, Buffalo.<br />
87 Divale 1975, An Explanation <strong>for</strong> Matrilocal Residence, S.102.<br />
88 Divale 1975, An Explanation <strong>for</strong> Matrilocal Residence, S.103.