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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 199<br />

aber auch als Reaktion auf die Expansion des Handels auftreten, wenn die Migranten<br />

daran profitieren wollen, wie im Fall der Jaga. Überbevölkerung kann eine<br />

Rolle spielen, ist aber bisher nicht nachweisbar. Bis heute sind Bandmigrationen<br />

nicht eindeutig von Teilen einer Massenmigration zu unterscheiden. 54<br />

(5) Elite-Migrationen: darüber berichten vor allem Oraltraditionen, die sich<br />

auf den Gründer einer Siedlung beziehen, der häufig als Fremder dargestellt wird.<br />

Ein großer Jäger, der von irgendwoher mit einer kleinen Gefolgschaft kommt, wie<br />

im Falle des Gründers des Maravi-Chiefdoms in Verbindung mit dem Phiri Klan,<br />

dessen Vorfahren aus großer Entfernung vom Lunda-Land aus Shaba gekommen<br />

seien. Viele dieser Erzählungen dürften Erfindungen sein und bauen auf einer<br />

stereotypen Idee auf, daß der Ursprung in der Ferne liegt, um die Aristokratie<br />

vom gewöhnlichen Volk zu unterscheiden. Insgesamt ist die Elite-Migration als<br />

Bevölkerungsbewegung eher unbedeutend. Im Mittelpunkt des Interesses stehen<br />

Untersuchungen über die sozio-kulturellen Veränderungen, die zur Neuorganisation<br />

durch das Besetzen eines bewohnten Gebietes führen und die Ressourcen neu<br />

verteilen, verbunden mit einer auf Nobilität beruhenden Hierarchie. 55<br />

Die Rekonstruktion der Bevölkerungsbewegungen in Afrika bleibt trotz der Klassifikation<br />

der verschiedenen Formen von Migration schwierig. Die Hauptbewegungen<br />

fanden in der Zeit zwischen 1500 und 1800 statt, aber die Oraltraditionen<br />

sind nicht imstande, Massenmigrationen aus dieser Zeit zu überliefern, sondern<br />

nur einzelne Episoden, die für kleinere Gruppen entscheidend waren. Weiters sind<br />

viele Traditionen ” Ideologien“ und beziehen sich auf die Erklärung des Kosmos<br />

und der Gesellschaftsordnung. Deshalb kann aus einzelnen Erzählungen nicht der<br />

Geschichtsablauf eines Großraumes erklärt werden. Die sogenannten large-scale<br />

movements sind für die Vergangenheit kaum rekonstruierbar, wenn überhaupt,<br />

dann nur gemeinsam mit Hilfe der Linguistik und der Archäologie in Verbindung<br />

mit überlieferten Traditionen. Dabei werden auch die Grenzen der Sprachwissenschaft<br />

sichtbar, wie Vansina bemerkt: Wenn zwei Sprecher unterschiedlicher<br />

Sprachen sich vermischen, endet dies mehrheitlich damit, daß eine kleine Minderheit<br />

die Sprache der Mehrheitsbevölkerung übernimmt. Massive Expansion oder<br />

Massenmigration kann zur Weiterverbreitung einer Sprache beitragen, muß aber<br />

nicht dazu führen, denn es kann auch eine Minoritätssprache (z.B. aus Prestige,<br />

oder aufgrund einer einfacheren Grammatik einer Handelssprache, etc.) übernommen<br />

werden. Eine weitere Basis für linguistische Forschungen sind Situationen,<br />

die durch Kontakte entstehen und zur Übernahme von Lehnwörtern führen, z.B.<br />

der Einfluß der Khoi und der San auf die Bantu-Sprachen im südöstlichen Afrika.<br />

Häufig ist die Sprache ein Konglomerat aus mehr als zwei Sprachen und einem<br />

ständigen Veränderungsprozeß unterworfen. 56<br />

M’Bokolo nimmt an, daß die erste und älteste Massenmigration (largescale<br />

movement) die bantu-sprechende Bevölkerung direkt von ihrem Nigero-<br />

54 Vansina 1992, Population Movements, S.60.<br />

55 Vansina 1992, Population Movements, S.61–62.<br />

56 Vansina 1992, Population Movements, S.64–65.

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