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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 138<br />

Im Unterschied dazu schließen matrilineare <strong>Gesellschaften</strong> keinen permanenten<br />

Transfer von produktiven und reproduktiven Leistungen der Männer von einer<br />

Gemeinschaftseinheit zur anderen ein; die Ehen sind weniger stabil und können<br />

ohne größere Rituale wieder gelöst werden. Die angeheirateten Männer gehen<br />

nicht in die Hausgemeinschaft der Frauen über und geben auch nicht die Kontrolle<br />

über ihre durch Geburt bestimmten Haushaltsangelegenheiten, wie die über ihre<br />

Schwester(n), auf. Dadurch wird weiters erklärt, warum 15 % der matrilokalen<br />

und uxorilokalen <strong>Gesellschaften</strong> weiterhin den Brautpreis leisten. Die männliche<br />

Vormachtstellung wird durch die weitverbreitete asymmetrische geschlechtliche<br />

Arbeitsteilung noch zusätzlich vergrößert. Frauen erledigen meist die gesamte<br />

Familienarbeit (Hausarbeit), wohingegen die Männer nur zeitweise Jagen oder<br />

Kriegführen. 51<br />

Problematisch ist bei Divale und Harris, daß sie zwischen Band- und Dorfgesellschaften<br />

und zwischen Fehde- und Kriegführung nicht unterscheiden. Unter Bandgesellschaften<br />

verstehen wir nomadisierende Gruppen, die keinen festen Wohnort<br />

besitzen und in unserem Verständnis zu Jägern und Sammlern gezählt werden;<br />

Dorfgesellschaften wechseln ihren Wohnort nur dann, wenn es zwingende Gründe<br />

dafür gibt. Das Austragen von Konflikten ist für eine Dorfgesellschaften zwingend<br />

notwendig, aber Mitglieder einer Jäger- und Sammlergesellschaft reagieren<br />

auf Konflikte vor allem mit Wanderungen. Wie wir später noch am Beispiel<br />

der irokesischen Stämme sehen werden, sind bei ihnen beide Formen vorhanden:<br />

die Männer sind vorwiegend nomadisierende Gruppen, bedingt durch Jagd und<br />

Kriegführung, die Frauen aber eher seßhaft (Sommer- bzw. Winterquartier) mit<br />

wenigen Ausnahmen.<br />

Das Jagen mit Waffen wird als Universalität der Männer angesehen und damit<br />

verstärkt sich gleichzeitig die männliche Vorherrschaft, da sie auch mit politischen<br />

Institutionen bei zumindest teilweise seßhaften <strong>Gesellschaften</strong> verbunden<br />

ist. Nach Divale und Harris gibt es in Band- und Dorfgesellschaften häufig als<br />

politische Institution ” Headmanship“, ” Headwomanship“ hingegen – im analogen<br />

Sinne – ebensoselten wie Polyandrie. Die Institution des ” big man“ entsteht<br />

als Zwischenstufe in der Evolution zu Chiefdoms, aber nirgends sehen wir eine<br />

vergleichbare Institution einer ” big woman“. In den Händen der Frauen liegt in<br />

den seltensten Fällen die Verteilung der Familienressourcen, auch wenn Frauen<br />

die Kontrolle über den ökonomischen Prozeß ausüben, so bleibt trotzdem ihr<br />

Status niedriger, als der der Männer. 52 Zentral für die geschlechtsspezifische Verteilung<br />

von ” Macht“ in segmentären <strong>Gesellschaften</strong> ist fast überall das Monopol<br />

der Männer über ihre Waffen und damit verbunden der Kriegführung und der<br />

51 Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.524.<br />

52 Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.524.<br />

Mit Literaturhinweisen auf: Divale 1976, Female Status und Cultural Evolution: A Study in<br />

Ethnographer Bias, in: Behavior Science Research. Weiters siehe: Peggy R. Sanday (1973):<br />

Toward a Theory of the Status of Women, in: American Anthropologist, 75:1682–1700, hier vor<br />

allem S.1682.

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