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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 107<br />

die Bekämpfung der Amazonen im Zusammenhang mit den überlieferten Traditionen:<br />

Durch die Lichtmächte wird das amazonische Mondprinzip vernichtet, die<br />

Frau ihrer natürlichen Bestimmung wiedergegeben, und dem geistigen Vaterrechte<br />

für alle Zeiten die Herrschaft über das stoffliche Muttertum erworben.<br />

Die größte Übertreibung führt zu dem gänzlichen Sturze. Nur in<br />

Verbindung mit dem Mutterrechte und der damit vereinigten Kriegsübung<br />

(Herod.4, 26, besonders Athen. 13, 10. 83. Diodor. 2, 34, 5f.) wird das<br />

Amazonentum Asiens und Afrikas eine begreifliche Erscheinung; denn trotz<br />

aller Verschönerung, mit der Sage und Kunst um die Wette es ausgeschmückt<br />

haben, ist die historische Grundlage der alten Nachrichten, die<br />

Strabo (II, 504. 505) mit so nichtigen Gründen anficht, nicht zu bezweifeln.<br />

Man hat geleugnet, wo es sich darum handelte, zu verstehen. Darin<br />

liegt die Schwäche heutiger Forschung: sie bemüht sich weniger um die<br />

antike als um die moderne Idee, bringt Erklärungen, die mehr der heutigen<br />

als der alten Welt entsprechen, und endet so notwendig in Zweifel,<br />

Verwirrung und trostlosem Nihilismus. Amazonischer Staaten Existenz zu<br />

beweisen ist unmöglich. Aber das bringt die Natur der Historie überhaupt<br />

mit sich. Keine einzige geschichtliche Überlieferung ist je bewiesen worden.<br />

Wir horchen allein dem Gerüchte. Traditionen solcher Art anfechten heißt<br />

[...] wider Jahrtausende streiten; sie nach dem Stande der heutigen Welt<br />

beurteilen, mit Alcaeus ‘nicht den Löwen nach der Klaue malen, sondern<br />

den Himmel und die ganze Welt nach Docht und Lampe verändern.’ 151<br />

Immer wieder wird in den antiken Schriften die Herrschaft des Weibes im Haus<br />

als das größte Übel angesehen. Aristoteles schreibt zum Beispiel:<br />

Das männliche Geschlecht ist mehr geeignet zu herrschen, als das weibliche.<br />

Es ist ein Unterschied zwischen den Tugenden des Mannes und jenen der<br />

Frau, zwischen der männlichen und weiblichen Tapferkeit, Mäßigkeit und<br />

Gerechtigkeit. Die männliche Tapferkeit ist zum Führen, die weibliche zum<br />

Folgen geeignet, und so ist es auch mit den anderen. 152<br />

Diese nüchterne Formulierung des Aristoteles wurde von den zeitgenössischen<br />

Griechen kaum bezweifelt. Sie steht in merkwürdigem Kontrast zu den Materialien<br />

Bachofens zu den ” gynaikokratischen“ Formen der Sozialorganisation bei den<br />

Kretern und Lykiern. Bachofens Einstellung zur ” Gynaikokratie“ blieb allerdings<br />

durchgängig ambivalent: einerseits finden sich bei ihm sehr viele negative Formulierungen<br />

zu den ” Grausamkeiten“ mutterrechtlicher <strong>Gesellschaften</strong>. Andererseits<br />

verstand er sich selbst als Entdecker 153 einer universalen Stufe in der Entwicklung<br />

151 Heinrichs 1975, Bachofen – Das Mutterrecht, S.107.<br />

152 Heinrichs 1975, Bachofen – Das Mutterrecht, zit. Aristoteles, Pol.1,5.<br />

153 Bachofen fühlt sich durch das positivistische, eingeschränkte Geschichtsverständnis seiner<br />

Zeit mißverstanden und <strong>for</strong>mulierte seinerseits als Kritik: ” So manche Überlieferungen werden<br />

auch von unseren Zeitgenossen in der Tat nur als alberne Possen der Vorwelt behandelt, weil<br />

der Schlüssel zu ihrem Verständnis, die Vertrautheit mit ihren Ideen, und was schlimmer ist,<br />

die Liebe zu dem Altertum, auch bei großer Gelehrsamkeit doch gar oft fehlt.“ Heinrichs 1975,<br />

Bachofen – Das Mutterrecht, 48. S.239.

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