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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 174<br />

Es hat den Anschein, als würden Mary Jemison und Lewis Henry Morgan völlig<br />

unterschiedliche Vorgänge beschreiben. In seiner Version sind die Frauen überhaupt<br />

nicht beteiligt und werden nicht einmal erwähnt. Er stellt seine Version so<br />

dar, als wäre sie Teil der Tradition des Seneca-Stammes, die seit langem geübt<br />

werde. Allein an diesem Beispiel wird deutlich, wie schwierig es ist, aus den vorhandenen<br />

Quellen eine der Realität nahekommende Version zu finden. Die Sichtweise<br />

von Mary Jemison war vor allem vom Standpunkt der Frauen aus gesehen<br />

besonders wichtig.<br />

Umgang mit Aggression<br />

Zu den Mechanismen für den Umgang mit Aggression und Angst gehörte früher<br />

das ritualisierte Glücksspiel; dabei traten ganze Dörfer gegeneinander an oder<br />

es fanden Rituale zur Wintermitte statt. Dabei wurden einzelne Teilnehmer<br />

” verrückt“ und ließen sich ihre Forderungen von anderen Mitgliedern des Dorfes<br />

erfüllen. Nach Anderson waren in allen Fällen Frauen und Männer gleichgestellt:<br />

weder in den Rollen als Aggressor noch als Opfer hatte ein Geschlecht Sonderrechte.<br />

164 Dies kann wohl kaum zutreffen, da ursprünglich die Knaben auch bei<br />

den irokesischen Stämmen zu aggressivem Handeln erzogen wurden – sie sollten<br />

tapfere Krieger werden! Richtig ist, daß beide Geschlechter den gleichen Spielregeln<br />

unterlagen, aber die Neigung zu Aggressivität war bei den Männern höher<br />

wegen ihrer Erziehung.<br />

Solange externale Kriegführung geübt wurde, dürften die Aggressionen innerhalb<br />

der irokesischen Stämme soweit wie möglich unterdrück worden sein; dies sollte<br />

sich nach der Übersiedlung in die Reservate ändern. Ein Beispiel für die Veränderungen<br />

bei der Aggressionsaustragung zwischen Männern erzählt uns Mary Jemison<br />

in ihrer Lebensgeschichte: Sie schreibt, daß es wenige Frauen gibt, die keine<br />

Probleme mit ihren Kindern haben. Sie versuchte immer wieder auf ihre beiden<br />

ältesten Söhne einzuwirken, um sie zur Vernunft zu bringen. Die Konflikte begannen<br />

bereits in der Kindheit als Thomas, ihr ältester Sohn, seinen jüngeren<br />

Bruder John einen ” Hexer“ nannte. Im Kindesalter unterstützte Thomas häufig<br />

seine Mutter bei der Arbeit, aber als er in der Kriegskunst unterwiesen wurde,<br />

veränderte sich sein Verhalten. Er verachtete die Grausamkeiten, die die Krieger<br />

gegenüber ihren unterworfenen Feinden übten. Obwohl er sich für den Frieden<br />

einsetzte, war er ein mutiger und geschickter Krieger und wurde von allen respektiert.<br />

Im Alter von 14 oder 15 Jahren nahm er erstmals an den Kriegsaktivitäten<br />

teil und konnte durch sein besonderes Geschick zwei Feinde gefangennehmen.<br />

Dadurch wurde er bereits in jungen Jahren als wichtiger Ratgeber und Chief anerkannt:<br />

z.B. nahm er zwei- oder dreimal in Philadelphia an Beratungen bei den<br />

Verträgen mit den Leuten des Staates teil. 165<br />

164 Anderson 1995, Frauenwelt, Männerwelt, S.215.<br />

165 Namias 1995, A Narrative of the Life of Mrs. Mary Jemison, Kap.10, S.123–124.

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