Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Familialisierung von sozialen Beziehungen 19<br />
1.1.3 Sprachfähigkeit<br />
Obwohl es zwischen Primaten und Jäger- und Sammlergesellschaften auch Ähnlichkeiten<br />
im Sozialverhalten gibt, unterscheiden sie sich doch gravierend. Der<br />
wesentlichste Unterschied ist die Kommunikationsfähigkeit des Menschen. Kein<br />
anderes Tier ist dazu fähig! Tiere kommunizieren zwar miteinander durch Mimik<br />
oder Gestik und drücken auf ihre Art Emotionen aus, aber nur der Mensch<br />
kann lernen, symbolische Dinge entstehen zu lassen und sein Verhalten durch<br />
Kommunikation zu verändern. Dabei spielen in allen menschlichen <strong>Gesellschaften</strong><br />
kulturelle Regeln, Tabus, Zeremonien, Rituale, Kunst und Ideologien eine<br />
Rolle. 27<br />
Wann die Sprachentwicklung in der Evolution zum Homo sapiens einsetzte, führte<br />
zu sehr unterschiedlichen Vermutungen. Früher wurde von einigen Anthropologen<br />
angenommen, daß sogar der Australopithecus eine Sprache vor nahezu zwei Millionen<br />
Jahren hatte. Heute wird eher vermutet, daß die Sprachfähigkeit eine späte<br />
Entwicklung ist und erst vor ca. 70.000 bis 50.000 Jahren einsetzte. 28 Gough<br />
(1975) neigte noch eher zur Annahme, daß die Sprachfähigkeit mit dem Entstehen<br />
des Familienlebens, in Verbindung mit Werkzeuggebrauch, Kochen und<br />
geschlechtlicher Arbeitsteilung zwischen 500.000 und 200.000 Jahren entstand.<br />
Diese Annahme einer gemeinsamen Entwicklung ist heute überholt! In der Linie<br />
der Hominiden war die Sprachfähigkeit z.B. beim Neandertaler – wie Christopher<br />
B. Stringer 29 (1991) in seinem Monogenesemodell annimmt – nicht vorhanden.<br />
Das ” Monogenesemodell“ besagt:<br />
..., daß der moderne Mensch einen einzigen Ursprung hatte, und zwar in<br />
Afrika, daß er zunächst noch rassisch undifferenziert war und erst relativ<br />
spät, als er sich von dort in andere Erdteile verbreitete, Unterschiede<br />
zwischen verschiedenen Linien ausgebildet haben. 30<br />
Stringer hält dieses Modell aus evolutionsbiologischer und anthropologischer Sicht<br />
für die ” überzeugendste Lösung“. Im Falle des homo sapiens neanthalensis betraf<br />
die natürliche Selektion sogar eine echte menschliche ” Art“. Der Neandertaler<br />
hatte die Widrigkeiten der letzten Eiszeit überstanden, war ein erfahrener Großwildjäger,<br />
körperlich kräftiger als der moderne Mensch und ihm technologisch<br />
27 Service 1979, The Hunters, S.31.<br />
28 Gough 1975, The Origin of the Family, S.62, bezieht sich hier auf Charles F. Hockett,<br />
Robert Ascher (1968): The Human Revolution, in: Yehudi A. Cohen (Hrsg.), Man in Adaptation:<br />
The Biosocial Background, Aldine Press, Chicago; und auf Frank Livingstone (1969): Genetics,<br />
Ecology, and the Origin of the Incest and Exogamy, in: Current Anthropology 10, Nr.1, S.45–<br />
49. Wimmer 1996, Evolution der Politik, S.109, zitiert Charles J. Lumsden, Edward O. Wilson<br />
(1983): Promethean Fire. Reflection on the Origin of Mind, Cambridge, MA und London, S.110;<br />
die die Entwicklung der verbalen Sprache auf die Zeit vor 50.000 Jahren festlegen. Sie entwickelte<br />
sich in Verbindung mit der Kunst und der raschen Evolution der materiell basierten Kultur.<br />
29 Christopher B. Stringer (1991): Die Herkunft des anatomisch modernen Menschen, in: Spektrum<br />
der Wissenschaft, Februar, S.112–120, hier S.112.<br />
30 Stringer 1991, Die Herkunft des anatomisch modernen Menschen, S.112.