Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 156<br />
der Vererbung von Eigentum: während der archaischen Periode wechselte das Eigentum<br />
nach dem Ableben eines Mitglieds der Gens auf die Gentilverwandten,<br />
zuerst auf die agnatische Verwandtschaft und am Ende auf die Kinder. Weiters<br />
merkt Morgan an, daß in der amerikanischen Ethnographie der Stamm und der<br />
Klan im Sinne der Gens verwendet werde; d.h. der amerikanische Klan entspricht<br />
der Gens der Griechen und Römer und sei nach Struktur und Funktion gleich<br />
organisiert. Die Regierungs<strong>for</strong>m der amerikanischen Ureinwohner von der Gens<br />
zur Konföderation unterteilt Morgan in vier Gruppen: (1) die Gens: besteht aus<br />
Blutsverwandten mit gemeinsamen Gentilnamen; (2) die Phratrie: eine größere<br />
Verbindung, entsteht durch den Zusammenschluß mehrer Gentes für gemeinsame<br />
Unternehmungen; (3) der Stamm: alle Mitglieder, die den gleichen Dialekt<br />
sprechen; (4) die Konföderation von Stämmen: sprechen Dialekte der gleichen<br />
Sprachfamilie. 104<br />
Marianne Weber bezieht sich – wie viele andere – auf Morgan und schreibt:<br />
Durch Morgans eingehende, auf langjährigem Aufenthalt beruhende Studien,<br />
sind wir am besten über die soziale Verfassung und die Sitten der<br />
Irokesen unterrichtet. Ihre großen aus 10 – 12 Einzelfamilien bestehenden<br />
Hausgemeinschaften, oder – was auch und häufiger vorkommt – ihre<br />
aus einzelnen Haushaltungen bestehenden Dörfer schließen sich zu territorial<br />
gesonderten Stämmen und diese wiederum zum Irokesenbunde zusammen.<br />
Den Dörfern wird vom Stamm der Grund und Boden garantiert,<br />
den die Hausgemeinschaften oder Einzelfamilien zur dauernden Nutzung<br />
erhalten. Quer durchschnitten werden, wie bei den Jägervölkern, Stamm,<br />
Dorf, Hausgemeinschaft, Einzelfamilie von den mutterrechtlich organisierten<br />
Geschlechts- und Totemverbänden. Jedes Kind gehört zum Geschlecht<br />
und zum Totem der Mutter. Da aber in der Regel hier ebenso wie bei<br />
andren Indianern die Frau dem Mann in seine Hausgemeinschaft folgt, so<br />
sind auch hier innerhalb desselben Hauses Angehörige verschiedener Totems<br />
vereint. Mit Ausnahme der Rodung des Neulands liegt die Bewirtschaftung<br />
des Ackers und die Verteilung der Ernteerträge in Frauenhand.<br />
Die Männer treiben nur Jagd und Fischfang und gingen früher vor allem<br />
einen großen Teil des Jahres auf den Kriegspfad. Und da sie deshalb in<br />
ihrem eigenen Heim sozusagen nur auf Besuch waren, blieben die Frauen<br />
die allein Wirtschaftskundigen. Infolgedessen kann auch eine Frau zur Vorsteherin<br />
einer Hausgemeinschaft gemacht werden, und als solche darf sie<br />
sich an der Wahl des Sippenhauptes, des Sachem, beteiligen. Die zu einem<br />
Stamme gehörigen Sachems bilden teils allein, teils zusammen mit den für<br />
Kriegsfälle von den Dörfern gewählten Häuptlingen den Stammesrat, das<br />
einzige politische Organ. 105<br />
Aus diesem Zitat geht hervor, daß in der irokesischen Gesellschaft bereits viele<br />
Veränderungen stattgefunden haben. Davon sind die wichtigsten: die Frauen folgten<br />
bereits virilokaler Maritalresidenz und Kriegszüge der Männer gegen andere<br />
104 Morgan 1968, The Iroquois Gens, S.163–164.<br />
105 Marianne Weber 1989, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, S.38–39.