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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Familialisierung von sozialen Beziehungen 37<br />

Kernfamilienbegriff weder Aussagen über den konkreten sozio-kulturellen Zusammenhang,<br />

innerhalb dessen die Familie existiert, noch inhaltliche Bestimmungen,<br />

wodurch dieser Zusammenhang determinierter Beziehungen zwischen den<br />

zugehörigen Personen bestimmt wird. 87<br />

Das Ziel, das Eickelpasch in seinem Artikel verfolgt, ist – wie er meint – die<br />

” ethnozentrische Restproblematik“ in Murdocks Thesen über die Universalität<br />

der Kernfamilie aufzudecken. So viel sei schon jetzt gesagt, es ist ihm in keiner<br />

Weise gelungen! Nach seiner Theorie gibt es keine Kernfamilie in unlinearen<br />

Abstammungsgruppen. Dabei stellt er sich aber nicht die Frage, wie es dann überhaupt<br />

möglich ist, daß ein Verwandtschaftssystem dargestellt werden kann. Ego<br />

(männlich oder weiblich) muß, wenn er/sie Kinder hat, natürlich mit irgendwem<br />

verheiratet sein, zumindest zeitweise eine Lebensgemeinschaft oder zumindest<br />

zwischen beiden muß es eine sexuelle Beziehungen gegeben haben. Eickelpasch<br />

unterscheidet nicht zwischen Kernfamilie, Verwandtschaftsgruppe, erweiterter Familie<br />

oder polygamer Familie. Er setzt Verwandtschaft mit Familie gleich. Das<br />

ist aber in der ethnologischen Forschung nicht möglich. Außerdem wirft Eickelpasch<br />

in seinem Artikel Murdock eine ethnozentristische Sichtweise vor, obwohl<br />

er selbst ebenso einen Familienbegriff verwendet, der kulturell einseitig bestimmt<br />

ist. In unserer westlichen Gesellschaft wird der Begriff Familie mit den engsten<br />

Verwandten gleichgesetzt, z.B. die Eltern, Großeltern, verheiratete Geschwister<br />

und deren Ehegatten, deren Kinder, wie auch die eigenen Kinder, können zur<br />

” Familie“ gehörend aufgefaßt werden.<br />

Nach Eickelpasch bilden folgende Familienorganisationen keine Kernfamilie:<br />

1. die matrilineare Familienorganisation: Dominanz der Bruder-Schwester-<br />

Beziehung;<br />

2. die patrilineare Familienorganisation: Dominanz der Vater-Sohn-Beziehung;<br />

3. die matrifokale Familie: Dominanz der Mutter-Kind-Beziehung.<br />

(1) Die matrilineare Familienorganisation: Hier bezieht sich Eickelpasch auf die<br />

Arbeit von Ralph Linton 88 (1936) ” The Study of Man“, der behauptet, daß die<br />

Familie nur ” an insignificant role in the lives of many societies“ spiele; als Beispiel<br />

nennt er die Nayar in Indien, eine Gesellschaft, bei der der Ehemann und Vater<br />

der Kinder von der Familie ausgeschlossen sei. Bereits Murdock warf Linton vor,<br />

daß er keine empirisch fundierten Grundlagen zitiere, welche diese Behauptungen<br />

zuließen. Murdock konnte nach seinen eigenen Recherchen die Ansicht Lintons<br />

nicht bestätigen. 89<br />

87 Eickelpasch 1974, Ist die Kernfamilie universal?, S.323–324.<br />

88 Ralph Linton (1936): The Study of Man, New York.<br />

89 Murdock 1949, Social Structure, S.3: ” The view of Linton that the nuclear family plays ‘an<br />

insignificant rôle in the lives of many societies’ receives no support from our data. In no case<br />

have we found a reliable ethnographer denying either the existence or the importance of this

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