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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Regionalgebiet Südostasien 287<br />

ves Vergessen“? Es wäre denkbar, denn ansonsten ist die in diesem Kapitel<br />

ausführlich dargestelle Geschichte ja voll von kriegerischen Ereignissen<br />

(Majapahit/ ´ Srivijaya: Raubzüge, Überfälle, Zerstörung der Zentren; das<br />

Sultanat von Aceh im Norden von Sumatra übte seinen Einfluß an der<br />

Ost/Westküste aus; an der Westküste kämpften die Chiefs der Handelszentren<br />

untereinander um die Vormacht). Es ist denkbar, daß sich die späteren<br />

Minangkabau nach ihrem Rückzug in das heutige Kernland während des 15.<br />

und 16. Jahrhunderts in einer starken defensiven Position befanden und sich<br />

mit einiger Sicherheit nach außen ” verteidigungspolitisch“ organisiert haben,<br />

z.B. gegen Angriffe auf die Handelsrouten. Dies würde wiederum eine<br />

längere Abwesenheit der Krieger/Männer bedeuten, wie wir es auch in den<br />

anderen Fällen gesehen haben. Ähnlich wie bei diesen würde dies zunächst<br />

einmal den Übergang zur Matrilokalität/Uxorilokalität bedeuten. Für die<br />

Minangkabau fiele dies zusammen mit dem Bau des Adat-Hauses. Leider<br />

läßt sich der Beginn dieser Tradition historisch nicht eindeutig festlegen;<br />

aber ich vermute, daß der soziale Wandel zur Uxorilokalität und später zur<br />

Matrilinearität exakt mit diesem komplexen historischen Wandel zusammenfällt.<br />

4. Die Kernstruktur der matrilinearen Gesellschaft der Minangkabau ist das<br />

Adat-Haus. Es bildet eine Wohn- und Lebensgemeinschaft von Frauen und<br />

ihren Kindern, in welche sich die Männer in ihren verschiedenen sozialen<br />

Rollen einzufügen haben. Wie wahrscheinlich seinerzeit die Ehemänner als<br />

Kriegergemeinschaft abwesend waren, so halten sie sich auch (teilweise)<br />

heute noch tagsüber nicht im Adat-Haus der Ehefrauen auf. Dieser Zusammenhang<br />

scheint mir doch irgendwie auf der Hand zu liegen. Weiters scheint<br />

mir der Zusammenhang von Adat-Haus/Wohnort der Frau und Grundbesitz<br />

der Frauengemeinschaft auffallend: Männer können keinen Grund und<br />

Boden besitzen und folglich auch kein Haus auf eigenem Grund und Boden<br />

bauen. Genau dies blockiert – zumindest im Hochland – den Übergang zur<br />

Patrilinearität und Patrilokalität oder Neolokalität, der sich bislang nur in<br />

den Städten durchsetzen kann.<br />

5. <strong>Matrilineare</strong> Gesellschaftssysteme bringen die Männer (vor allem junge<br />

Männer) in eine Position der Unsicherheit, welche eine sozialstrukturelle<br />

Spannungs- und Konfliktsituation darstellt. Bei den irokesischen Stämmen<br />

und den Bemba im südlichen Afrika haben wir das schon gefunden, und<br />

so auch bei den Minangkabau, mit der Ausnahme, daß die Ehemänner<br />

nicht von ihrer matrilinearen Abstammungsgruppe getrennt leben, sondern<br />

in unmittelbarer Nähe (Dorfendogamie). Eine typische Form der Bewältigung<br />

dieses konfliktorischen Zustandes in matrilinearen <strong>Gesellschaften</strong> dürfte<br />

sein, daß den älteren Männern, wenn die kriegerischen Auseinandersetzungen<br />

abnehmen, Statuspositionen innerhalb der Gesellschaft vorbehalten<br />

sind: Männer sind die Chiefs oder auch Paramount Chiefs, sie treffen sich<br />

in Ratsversammlungen, um über Dorfangelegenheiten zu beraten; sie ha-

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