Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Familialisierung von sozialen Beziehungen 43<br />
Marianne Weber schreibt im Stil ihrer Zeit folgendes über Jäger und Sammler:<br />
Als die – an unsren heutigen Kulturwerten gemessen – primitivste Form des<br />
menschlichen Gemeinschaftslebens pflegt man die nomadisierende ” Horde“<br />
gewisser, nach der Art ihres Nahrungserwerbs als ” niedere Jägervölker“ bezeichneter<br />
Volksstämme anzusehen. ... Entscheidend für die Art des Nahrungserwerbs<br />
jener heute kulturärmsten Volksstämme ist ihre Genügsamkeit<br />
mit dem, was die Natur ihnen an animalischen und vegetabilischen<br />
Nahrungsmitteln unmittelbar bietet, und die Planlosigkeit ihrer Bedürfnisbefriedigung:<br />
das Merkmal der ” Wirtschaft“: die Vorsorge für die Zukunft,<br />
fehlt ihnen noch ganz. 107<br />
Die Art der Lebensführung hat mit weitgehendem Mangel an Werkzeugen und<br />
politischen Institutionen irgendwann überall eine bestimmte Wirkung ausgeübt.<br />
Mit anderen Worten sie kennen keine Vorratshaltung, deshalb verteidigen sie sich<br />
gegen Fremde/Feinde, um ihre Nahrung zu sichern. Marianne Weber nennt sie<br />
” niedere“ und höhere“ Jägervölker und als Unterscheidungsmerkmale, die für<br />
”<br />
ihre Gesellschafts<strong>for</strong>m von Bedeutung waren, werden angeführt:<br />
1. Art der Nahrungsbeschaffung: tägliche Nahrungssuche ohne Vorratswirtschaft<br />
bedeutet ständiges Wechseln von Überfluß und Mangel an Nahrungsmitteln;<br />
2. Eigentum: Waffen, Schmuckstücke, Kleider, Zelte sind das Eigentum desjenigen,<br />
der sie verfertigt hat;<br />
3. Politische Organisationen: diese fehlen in Friedenszeiten. Der Stamm bildet<br />
ein Aggregat selbständiger Mischgruppen, die jede für sich ihre materiellen<br />
Interessen vertritt. Bei Bedrohung von Fremden, um Sein oder Nichtsein aller<br />
entsteht zwischen ihnen ein Gemeinschaftsgefühl, aber dauernde Machtunterschiede<br />
fehlen. Im Kampf übernimmt der Tüchtigste die Leitung, in<br />
Friedenszeiten liegt die Autorität hingegen bei den Alten, den Kennern der<br />
überlieferten Sitten und Gebräuche. 108<br />
Bei den ” Hordengenossen“ fehlen dauernde Machtunterschiede, und sie leben in<br />
Kleinfamilien (Vater, Mutter und unerwachsene Kinder), die keinen dauerhaften<br />
Bestand haben. Diese Art der Familienorganisation wurde in der Literatur des<br />
19. Jahrhunderts als ” Paarungsfamilie“ oder ” lose Familie“ bezeichnet. Es seien<br />
ausschließlich materielle Bedürfnisse, die Mann und Frau zu längerem oder<br />
kürzerem Zusammenleben zwingen. Aber hier führt Marianne Weber auch die<br />
Bedürfnisbefriedigung an: es besteht sowohl ” das Schutzbedürfnis des Weibes für<br />
sich und ihre Kinder“, als auch ” das Streben des Mannes nach Erleichterung des<br />
Nahrungswerbs und die Befriedigung des Geschlechtstriebs“. Die Vorstellung, daß<br />
107 Marianne Weber 1989, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, S.2–3.<br />
108 Marianne Weber 1989, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, S.3–4.