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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Familialisierung von sozialen Beziehungen 22<br />

ist freilich nicht vorgegeben und nicht konstant. Sie erscheint im Laufe der<br />

Entwicklung und entwickelt sich selbst. Auf das ” Im Anfang war das Wort“<br />

der Bibel läßt Goethe seinen Faust entgegnen ” Im Anfang war die Tat“.<br />

Damit soll der Wert des Wortes herabgesetzt werden. Man kann jedoch<br />

diese Version akzeptieren, wenn man den Satz anders betont: Im Anfang<br />

war die Tat. Das Wort war nicht der Anfang – die Aktion kommt zuerst;<br />

es ist das Ende der Entwicklung, die Krönung der Tat. 40<br />

Für Hallpike bildet die Entwicklungspsychologie (vor allem die Analyse des Werkes<br />

von Jean Piaget) die Grundlage für seine Theorie über die unterschiedlichen Formen<br />

des Denkens. Nach Piaget, Wygotski und anderen Entwicklungspsychologen<br />

haben die Sprache und das Denken nicht dieselben Wurzeln in ihrer Entwicklung.<br />

Es gibt in der Sprache ein vorbegriffliches Stadium und im Denken ein<br />

vorsprachliches Stadium. Das Kind beherrscht im Laufe seiner Entwicklung die<br />

Grammatik viele Jahre vor der <strong>for</strong>malen Logik (falls es, durch seine Erfahrungen<br />

in seiner Ausbildung, überhaupt so weit kommt). 41 Die Sprachbeherrschung ist<br />

ein Entwicklungsprozeß, der die gesamte Erfahrung des Individuums einbezieht.<br />

Der ” Sinn“ von Wörtern ist fließend, ist die Summe aller psychologischen<br />

Ereignisse, die durch das Wort in unserem Bewußtsein wiedererweckt werden.<br />

Er ist ein dynamisches, fließendes, komplexes Ganzes; die Bedeutung<br />

ist nur die stabilste Zone des Sinnes, und der Sinn verändert sich je nach<br />

dem Kontext. 42<br />

Nach Hallpike ist die Sprache nicht bestimmend für das Denken, denn gewisse<br />

Kategorien werden überhaupt nicht sprachlich <strong>for</strong>muliert und andere sind in einer<br />

Vielfalt von Gebräuchen und Institutionen verankert. Eine Idee kann in jeder<br />

Sprache auf unendlich viele Weisen ausgedrückt werden, und weil das Denken<br />

auch auf der Ebene des Handelns und des Bildes geschieht, ist die Annahme, Kategorien<br />

und Vorstellungen würden schon durch den Erwerb der Sprache gelernt<br />

(wie Durkheim, Lévi-Bruhl, Whorf, Leach und andere postulierten) offensichtlich<br />

falsch. Die Sprache ist ein wesentliches Mittel, um Kategorien und Vorstellungen<br />

einer Gesellschaft zu erlernen; in <strong>Gesellschaften</strong>, in denen das Denken in Handlungen,<br />

Symbolen und Ritualen eingebettet ist, genügt die Sprache allein nicht,<br />

sondern die Erfahrungen des Volkes in seiner Gesamtumwelt müssen mitberücksichtigt<br />

werden. 43<br />

Die Kosmologien von Primitiven können wichtige Wahrheiten in bezug auf<br />

die Stellung des Menschen und der Gesellschaft zur Natur zum Ausdruck<br />

bringen. ... die sich ergänzenden Rollen von Männern und Frauen innerhalb<br />

der Sozialordnung, Macht gegen Recht, Zerstörung und Erschaffung und<br />

40Wygotski 1962, Thought and Language, S.153; zit.n. Hallpike 1990, Die Grundlagen primitiven<br />

Denkens, S.98.<br />

41Hallpike 1990, Die Grundlagen primitiven Denkens, S.96–97.<br />

42Hallpike 1990, Die Grundlagen primitiven Denkens, S.97.<br />

43Hallpike 1990, Die Grundlagen primitiven Denkens, S.559–560.

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