Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Familialisierung von sozialen Beziehungen 20<br />
gleichwertig. 31 Der Neandertaler entwickelte sich aus einer Seitenlinie des Homo<br />
erectus vor rund 500.000 Jahren und starb vor 34.000 Jahren aus. Zwischen zwei<br />
Millionen und einer Million Jahren existierten wahrscheinlich 3 Hominiden-Arten<br />
nebeneinander, die körperlich kräftigeren und größeren Arten (wie der Neandertaler)<br />
starben aber merkwürdigerweise aus. 32 Nach Philip Lieberman (1984) hätte<br />
das Größenwachstum des Gehirns für die Evolution der gesprochenen Sprache allein<br />
nicht ausgereicht; und er geht davon aus, daß heute mit einiger Sicherheit<br />
behauptet werden kann, daß der Neandertaler trotz seines Gehirnvolumens nicht<br />
sprechen konnte (Respirationstrakt, Kiefer- und Kauapparat hatten es ihm nicht<br />
ermöglicht). 33 Für Christopher B. Stringer (1991) hat der Neandertaler nicht zur<br />
Homo sapiens Linie gehört und ist deshalb ” nur“ als Homo neanderthalensis zu<br />
bezeichnen. Als Gründe für seine Annahme nennt er Fossilfunde die zeigen, daß<br />
der Neandertaler im Nahen Osten neben dem modernen Menschen lebte und<br />
dennoch seine Verschiedenheit bewahrte. 34<br />
Die Sprachfähigkeit des modernen Homo sapiens begründete seine Überlegenheit.<br />
Sie führte zum System schneller Kommunikation, aber auch zur Ausbildung eines<br />
Kurzzeitgedächtnisses, damit reagierten die Sprachzentren des Gehirns wesentlich<br />
rascher auf Sprechsequenzen. Die Bedeutung der Sprache liegt vor allem in der<br />
Negation, dadurch wird Kommunikation in der Ja-/Nein-Form erst möglich, die<br />
wesentlich für die gesellschaftliche Evolution ist. Bei der tierischen Kommunikation<br />
gibt es nirgends eine Negation! Für humane Gruppen bis zu 150 Mitgliedern<br />
konnte ein ” Nein“ in der Kommunikation sehr gefährlich werden und Konflikte<br />
auslösen. Aggressionskontrolle ist deshalb in der gesellschaftlichen Entwicklung<br />
von entscheidender Bedeutung. 35<br />
Das Aneignen von Sprache ist geschlechtsunabhängig. Beide Geschlechter lernen<br />
in der frühen Kindheit die Sprache ihrer unmittelbaren Umgebung. Die unterschiedlichen<br />
Bedeutungen in der Gewichtung von Sprache werden in den folgenden<br />
Ansätzen kurz dargestellt.<br />
Von fundamentaler Bedeutung für die Sprachwissenschaft waren im 19. Jahrhundert<br />
die Erkenntnisse der Biologie. Dadurch konnte die statisch traditionelle<br />
Interpretation ersetzt werden. Denn Ähnlichkeiten zwischen Sprachen entstehen<br />
nicht nur aufgrund historischer Beziehungen. Vier Klassen dienen zur Erklärung:<br />
(1) der Wandel, (2) der Symbolismus, (3) die Genetik, und (4) die Übernahme.<br />
31 Wimmer 1996, Evolution der Politik, S.110; bezieht sich hier auf: Erik Trinkaus, William<br />
W. Howells (1988): Die Neandertaler, in: Spektrum der Wissenschaft, Februar, S.181–190.<br />
32 Wimmer 1996, Evolution der Politik, S.109–111; bezieht sich auf: Niles Eldredge, Ian Tattersall<br />
(1982): The Myths of Human Evolution, New York, S.140.<br />
33 Wimmer 1996, Evolution der Politik, S.110: Philip Lieberman (1984): The Biology and the<br />
Evolution of Language, Cambridge MA/London, S.305 ff.; weiters Philip Lieberman (1993): Uniquely<br />
Human. The Evolution of Speech, Thought, and Selfless Behavior, Harvard Univ. Press,<br />
Cambridge, MA und London.<br />
34 Wimmer 1996, Evolution der Politik, S.110; Christopher B. Stringer 1991, Die Herkunft des<br />
anatomisch modernen Menschen, S.118.<br />
35 Wimmer 1996, Evolution der Politik, S.115–116.