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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 124<br />

Tlingit und Tsimshian an der Nordwestküste Amerikas und bei den Marshallese<br />

und anderen <strong>Gesellschaften</strong> in Mikronesien Strukturen von sozialen Klassen. In<br />

ihrem Selbstverständnis halten sich matrilineare <strong>Gesellschaften</strong> im Vergleich zu<br />

patrilinearen für überlegen, so jedenfalls Murdocks Darstellung. 6<br />

Die Spekulationen und Vermutungen wurden <strong>for</strong>tgesetzt und teilweise umgedreht.<br />

J.R. Swanton 7 ging davon aus, daß die patrilinearen Stämme Nordamerikas wesentlich<br />

rückständiger seien als ihre Nachbarn mit matrilinearer Deszendenz. Aber<br />

ebenso wie die Evolutionisten ignorierte er diejenigen, die patrilinear organisiert<br />

waren und komplexere Institutionen hatten und diejenigen matrilinearen, die einfacher<br />

organisiert waren. Seine Theorie basierte schlußendlich nur auf der Umkehr<br />

der evolutionistischen Theorie. Die Theorie von Swanton wurde unkritisch<br />

von Lowie akzeptiert und weiter <strong>for</strong>muliert; ihm ist aber zugute zu halten, worauf<br />

Murdock hinweist, daß er einige seiner Fehlinterpretationen in der zweiten Ausgabe<br />

von ” Primitive Society“ korrigiert habe. Nach Murdock resultieren alle diese<br />

Theorien allein auf vagen Vorstellungen, die aber nicht historisch belegt werden<br />

können. Nirgends finde sich ein historischer Beweis dafür, daß es einen direkten<br />

Übergang von patrilinearer zu matrilinearer Deszendenz gegeben habe, hingegen<br />

ist jede andere Form des Übergangs von einem zum anderen Abstammungssystem<br />

möglich, wie z.B. der Übergang von bilateraler zu patrilinearer, von bilateraler<br />

zu matrilinearer, von matrilinearer zu bilateraler und von matrilinearer zu patrilinearer<br />

Deszendenz. 8 Die Möglichkeit des Übergangs von der patrilinearen zur<br />

matrilinearen Abstammung wird in der vorliegenden Arbeit noch eingehend besprochen.<br />

Andere Autoren wiederum behaupteten, daß es einen einzigen Ursprungsort für<br />

die Entstehung von unilinearen Systemen gegeben habe: (1) R.L. Olson 9 vermutete,<br />

daß es in beiden Amerikas nur einen einzigen Ursprungsort für alle unilinearen<br />

Institutionen gegeben hätte; danach seien unilineare Institutionen, wo auch immer<br />

sie gefunden werden, eine so ungewöhnliche Erscheinung, daß sie eher eine<br />

Abnormalität der Sozialstruktur darstellen. Murdock weist jedoch darauf hin, daß<br />

er in drei Kapiteln seines Buches ausschließlich auf unilineare Deszendenz eingegangen<br />

ist und diese Form der sozialen Struktur eher die Normalität darstelle als<br />

abnormal oder künstlich sei, und daß sie häufig in Verbindung mit den Phänomenen<br />

von Totemismus, Exogamie, ähnlichen Sib-Namen, Kreuz-Cousinen-Heirat<br />

und Reziprozität stehe. (2) Die britischen Diffusionisten nahmen ebenso einen<br />

einzigen Ursprungsort für das Entstehen von matrilinearen Systemen an, und<br />

zwar in Ägypten. (3) Die deutschen und österreichischen historischen Anthropologen<br />

verbanden unilineare Deszendenz mit einer Anzahl von zusammenhängen-<br />

6 Murdock 1949, Social Structure, S.187.<br />

7 J.R. Swanton (1905): The Social Organization of American Tribes, American Anthropologist,<br />

VI, S.663-673; und J.R. Swanton (1906): A Reconstruction of the Theory of Social Organization,<br />

Boas Anniversary Volume, New York, S.166–178.<br />

8 Murdock 1949, Social Structure, S.190.<br />

9 R.L. Olson (1933): Clan and Moiety in Native America, University of Cali<strong>for</strong>nia Publications<br />

in American Archaeology and Ethnology, XXXIII, S.351–422.

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