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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 165<br />

Jäger oder Krieger als Individuum hatte: er besaß ein höheres Prestige und hatte<br />

das Vorrecht auf mehrere Ehefrauen. 133<br />

3.3.4 Politische Organisation und Rechte der Frauen<br />

Das Friedensamt war innerhalb der Matrilineage erblich und lag in der Hand<br />

des Sachem, also eines Mannes. Der große Rat der irokesischen Föderation bestand<br />

aus 50 Sachems, die ständige Mitglieder waren. Jeder Stamm der Irokesen-<br />

Konföderation bestand aus mehreren matrilinearen Klans (ohwachiras) und innerhalb<br />

jedes einzelnen wurde ein Sachem von den Frauen in den großen Rat als<br />

Vertretung gewählt: die Onondaga hatten 14, die Seneca 8, die Mohawk/Oneida<br />

9, die Cayuga 10 Sachems. Der große Rat der Liga berät über Krieg und Frieden<br />

und entscheidet bei Streitigkeiten zwischen den Stämmen. Es gab zahlreiche<br />

Ämter, aber keine unmittelbare Herrschaft, sondern viele gemeinsame Beratungen<br />

zur Problemlösung und Vorschläge für Entscheidungen. Nach Uwe Wesel ist<br />

damit der Beweis erbracht, daß es auch bei den irokesischen Stämmen niemals<br />

irgendeine Form des Matriarchats gegeben hat; sondern eine Form von Matrifokalität,<br />

bei der die Selbstbestimmung der Männer erhalten blieb. Es könne nicht<br />

einmal von einer Gleichberechtigung der Irokesenfrau gesprochen werden: denn<br />

weder die Frauen besaßen die gleichen Rechte wie die Männer, noch hatten die<br />

Männer die gleichen Rechte wie die Frauen, sondern jedes Geschlecht hatte in<br />

getrennten Bereichen der Gesellschaft ” seine“ Rechte. 134<br />

Für Morgan war, wie er in ” The League of the Iroquois“ (1851) schreibt, die<br />

politische Macht der Irokesenfrau nicht feststellbar. Es blieb für ihn unklar, ob<br />

sie ein Stimmrecht im Rat hatte oder nicht. In seinen späteren Arbeiten bezieht<br />

sich Morgan auf einen Brief des Reverent Ashur Wright, der 40 Jahre als Missionar<br />

bei den Irokesen gelebt hatte. Reverent Wright schrieb, daß die Frauen nicht<br />

zögerten, wenn es die Situation <strong>for</strong>derte, ” die Hörner herunterzunehmen“, d.h.<br />

den Sachem abzusetzen. 135 Morgan nahm an, daß es zwischen den Geschlechtern<br />

keine Gleichberechtigung gab ( ” absence of equality between the sexes“), sondern<br />

die Frauen waren den Männern untergeordnet: sie aßen nach den Männern, die<br />

Kriegführer (tribal chiefs) und die Oberhäupter der matrilinearen Lineages (sachems)<br />

waren ebenfalls Männer. Die Frauen hatten zwar bei den Beschlüssen<br />

innerhalb der Langhäuser die wichtigsten Entscheidungsbefugnisse, wie auch im<br />

Bereich der matrilokalen erweiterten Familie (matrilocal extended family), aber<br />

bei Entscheidungen des Rates hatten sie keinen Einfluß. 136<br />

133Wilhelm Schmidt S.V.D. (1955): Das Mutterrecht, Studia Instituti Anthropos, Vol.10, Verlag<br />

der Missionsdruckerei St. Gabriel, Wien-Mödling, S.144; zitiert hier: Martha Champion Randle<br />

(1951): Iroquois Women, Then and Now, Bulletin of the Bureau of American Ethnology 149,<br />

Washington, S.167–180, hier S.172.<br />

134Wesel 1980, Der Mythos vom Matriarchat, XVI: Die Irokesen, S.110–112.<br />

135Brown 1975, Iroquois Women: An Ethnohistoric Note, S.240, bezieht sich auf den Brief von<br />

Reverent Ashur Wright, Mai 1879.<br />

136Lewis Henry Morgan (1962): The League of the Ho-Do’No-Sau-Na, or Iroquois, A Classic

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