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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 70<br />

2.1.2 Grundlagen des klassischen ethnologischen Evolutionismus<br />

Für die Evolutionisten waren ähnliche Kuturelemente zunächst der sichere Beweis<br />

dafür, daß alle Kulturen denselben Entwicklungsgesetzen unterliegen, trotzdem<br />

konnte niemand die Diffusion von Ideen und Dingen grundsätzlich bezweifeln.<br />

E.B. Tylor diskutierte in seinen Schriften den Widerspruch von Theorie und Wirklichkeit,<br />

zwischen endogamen Kulturwandel und der Notwendigkeit die kulturelle<br />

Diffusion anerkennen zu müssen. Die Widersprüche wurden aber von den Evolutionisten<br />

des 19. Jahrhunderts nicht ausdiskutiert, sondern eher verdrängt. 27<br />

Die theoretischen Grundlagen der klassischen ethnologischen Evolutionisten waren<br />

nicht einheitlich. Den Evolutionisten ging es vor allem um die chronologische<br />

Ordnung der Gesellschaftsentwicklung von der Menschwerdung bis zu den ersten<br />

Hochkulturen aus dem Blickwinkel von gesellschaftlichen (kulturellen) Entwicklungsstadien.<br />

Es wurden Gesetze der Abfolge aufgestellt, ohne auch nur das<br />

Forschungsproblem zu sehen, daß es sich bei diesen ” Gesetzen“ nur um höchst<br />

intuitive, empirisch kaum begründbare Spekulationen handeln konnte. Die Autoren<br />

mußten nur bereit sein, jede dieser Theorien auf zumeist zweifelhafte Quellen<br />

aufzubauen, und jenes Material, das nicht ins vorgefaßte Schema paßte, einfach<br />

als nicht relevant abzutun. 28<br />

Darwins Werk On the Origin of Species“ (1859) war aber nicht – wie vermutet<br />

”<br />

werden könnte – ausschlaggebend für die Formulierungen in den ersten Publikationen<br />

der ethnologischen Evolutionisten. 29 Drei Jahre vor Darwins Buch erschien<br />

eine Serie von Vorlesungen des Schweizers Johann Jakob Bachofen zum Thema<br />

” Das Mutterrecht“ (1856) in Stuttgart. Bachofen stützte sich vor allem auf griechische<br />

und römische Quellen und interpretierte diese.<br />

Tylor war der erste, der die methodischen Schwächen sah und der den Wert der<br />

ethnologischen Quellen diskutierte. Sein später allgemein akzeptierter Schluß, daß<br />

jede menschliche Geschichte eine Bewegung sei, brachte die hitzige Kontroverse<br />

erstmals auf ein wissenschaftliches Niveau. Tylor verwendete für seine Forschungen<br />

folgende Quellen:<br />

1. antike Schriftsteller: Herodot, Strabo, Lucretius;<br />

2. spanische Chronisten: Oviedo, Garcilaso de la Vega, Sarmiento;<br />

3. frühe Berichte von Jesuiten und Missionaren: wie die von Charleroix, Colden,<br />

Lafitau und Dobrizhoffer;<br />

4. Erzählungen von großen Entdeckern: wie Columbus, Cook und vielen anderen,<br />

die in den Publikationen der ” Hakluyt Society“ zugänglich waren. 30<br />

27 Koloß 1986, Der ethnologische Evolutionismus im 19. Jahrhundert, S.26.<br />

28 Koloß 1986, Der ethnologische Evolutionismus im 19. Jahrhundert, S.20.<br />

29 Harris 1968, The Rise of Anthropological Theory, S.143.<br />

30 Harris 1968, The Rise of Anthropological Theory, S.144–146.

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