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Erdfernerkundung - Numerische Physik: Modellierung

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2.5. STABILISIERUNG DES SATELLITEN 55<br />

§ 167 Das einfachste Verfahren zur Stabilisierung eines Satelliten oder eine Raumsonde ist<br />

die Spinstabilisierung: der Satellit rotiert um eine Achse mit großem Trägheitsmoment, meist<br />

um die Figurenachse. Die Rotationsachse �ω ist parallel zum raumfesten Drehimpulsvektor<br />

�L. Auf Grund der Drehimpulserhaltung widersetzt sich der Satellit wie ein Kreisel jeder<br />

Änderung seiner Drehachse. Für praktische Anwendungen reichen zur Stabilisierung Spingeschwindigkeiten<br />

in der Größenordnung von einer Umdrehung pro Sekunde (Beispiele: TIROS<br />

I: 1/6 U/s; Syncom [586] 2.7 U/s; Helios 1 [523, 524] U/s).<br />

§ 168 Spinstabilisierung ist für die <strong>Erdfernerkundung</strong> unpraktisch: sofern die optische Achse<br />

des Instruments nicht mit der Drehachse des Satelliten zusammenfällt, ergibt sich ein ständig<br />

wechselndes Blickfeld. Für Aufnahmen der Erde ist Spinstabilisierung daher keine geeignete<br />

Form der Lagereglung. Für andere Typen von Instrumenten, z.B. Instrumente zur Messung<br />

energiereicher Teilchen, dagegen sind spinnende Plattformen von Vorteil: durch die Änderung<br />

der Blickrichtung wird der gesamte Raum abgescannt und man kann auf diese Weise die Richtungsverteilung<br />

der einfallenden Teilchen bestimmen und nicht nur die Teilchenintensitäten<br />

aus einer bestimmten Richtung. Ausnahme in der <strong>Erdfernerkundung</strong> sind auch viele meteorologische<br />

Satelliten: hier wird die Spinstabilisierung (Drehachse senkrecht zur Bahnebene)<br />

gleichzeitig zum Scannen genutzt mit dem Vorteil eines einfachen Instruments ohne bewegliche<br />

mechanische Bestandteile. Die Konfiguration, bei der der Satellit gleichsam seine Bahn<br />

entlang spinnt, wird als Cartwheel bezeichnet (bitte nicht mit dem Cartwheel beim SAR in<br />

§ 509 verwechseln) – TIROS 9 [591] war der erste Vertreter dieser Rad schlagenden Spezies.<br />

§ 169 Da die Drehachse bei spinnenden Raumsonden in der Regel senkrecht auf der Bahnebene<br />

steht, gibt es keine Möglichkeit, eine Richtantenne mit fester Ausrichtung auf eine<br />

Bodenstation auf dem Raumfahrzeug zu montieren. Daher muss zur Gewährleistung der<br />

Funkverbindung die Antenne relativ zum Satelliten rotieren, um eine Ausrichtung auf die<br />

Erde zu gewährleisten. Die Genauigkeit, mit der diese Gegenrotation erfolgt, ist so gross,<br />

dass für Helios 1 erst 12 Jahre nach dem Start des Satelliten eine Abweichung auftrat, die so<br />

groß war, dass der relativ schmale Strahl der Antenne die Erde nicht mehr traf. Bei einer Rotationsperiode<br />

von 1/s heißt das, dass der Antennenstrahl erst nach ca. 360 Mio Rotationen<br />

um wenige Grad von seiner ursprünglichen Richtung abgewichen ist.<br />

§ 170 Bei der Drei-Achsen-Stabilisierung wird die momentane Lage des Satelliten durch Momentenaustausch<br />

mit Stellgliedern, z.B. Schwungrädern [211], gehalten. Dadurch lässt sich eine<br />

feste Ausrichtung von Antennen bzw. Instrumenten erreichen. Drei-Achsen-Stabilisierung<br />

erfolgt bei vielen geostationären Satelliten (Kommunikation), <strong>Erdfernerkundung</strong>ssatelliten<br />

und bei vielen interplanetaren Raumsonden (z.B. Pioneer [499], Voyager [476], ISEE-3 [440]).<br />

§ 171 Passive Stabilisierungssysteme nutzen die Umgebungsbedingungen zur Orientierung,<br />

z.B. Strahlungsdruck, Gravitationsgradienten oder terrestrisches Magnetfeld. Im unteren Teil<br />

von Abb. 2.24 ist als Beispiel die Lagestabilisierung des ersten deutschen Forschungssatelliten,<br />

Azur, durch das Magnetfeld dargestellt. Im Satelliten ist ein starker Permanentmagnet<br />

eingebaut. Da sich der Satellit auf einer polaren Umlaufbahn befindet, dreht er sich während<br />

eines Umlaufs um die Erde auch einmal um seine Achse. Bei Abweichungen aus seiner Lage<br />

parallel zu den Magnetfeldlinien bewirkt der Permanentmagnet ein rücktreibendes Moment,<br />

so dass die Satellitenachse stets parallel zu den Feldlinien bleibt und stets das gleiche Ende<br />

des Satelliten in Richtung auf den magnetischen Nordpol weist.<br />

§ 172 Stabilisierung ist insbesondere auf den frühen Missionen ein interessantes Problem,<br />

wenn diese über einen simplen Tape-Recorder zum Zwischenspeichern der Daten verfügen<br />

(wie z.B. die Voyager und Pioneer Sonden). Drehimpulserhaltung fordert, dass jedes An- und<br />

Ausschalten des Recorders mit einer entsprechenden Ausweichbewegung quittiert wird – was<br />

einem Ausweichen der Antenne aus der Zielrichtung entsprechen kann. Heutige Satelliten<br />

verfügen im Bereich der Datenspeicherung sicherlich über weniger bewegliche Instrumente –<br />

die Stabilisierung bleibt jedoch ein Problem, da sich (a) die meisten Satelliten erst im Orbit<br />

entfalten (insbesondere die Solarpanel) und der sich daraus ergebende Drehimpuls kontrolliert<br />

c○ M.-B. Kallenrode 2. Juli 2008

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