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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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106 S u S a n n e k. Sc H M i d t<br />

de, das heißt, er orientiert sich am Ziel <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Integration</strong> (Pescatore<br />

1983). Auf dieser Grundlage hat er zum Beispiel die Interpretation <strong>der</strong> Grundfreiheiten<br />

sukzessive von einem Diskriminierungs- zu einem Beschränkungsverbot<br />

geän<strong>der</strong>t (Eilmannsberger 1999a, 1999b). Mit dem Verständnis <strong>der</strong> vier Freiheiten<br />

als Diskriminierungsverbot war es zunächst nur darum gegangen, Auslän<strong>der</strong><br />

Inlän<strong>der</strong>n gleichzustellen (Inlän<strong>der</strong>gleichbehandlung). Auf dieser Basis konnte je<strong>der</strong><br />

Mitgliedstaat die Qualität gehandelter Waren und <strong>Die</strong>nstleistungen in seinem<br />

Territorium nach eigenem Ermessen regulieren. EU-Auslän<strong>der</strong> mussten diesen<br />

Bestimmungen des Tätigkeitslands entsprechen; dieser wie<strong>der</strong>um durfte nicht gegen<br />

sie diskriminieren (etwa durch eine Residenzpflicht). Bei einer Interpretation<br />

als Beschränkungsverbot dagegen erfährt die Regulierung des Tätigkeitslandes<br />

eine inhaltliche Überprüfung, da gefragt wird, ob es sich bei den Maßnahmen um<br />

eine verhältnismäßige Beschränkung einer Grundfreiheit handelt.<br />

<strong>Die</strong>sen Interpretationswandel hat <strong>der</strong> EuGH zunächst im Bereich <strong>der</strong> Warenverkehrsfreiheit<br />

mit den Urteilen Dassonville (C-8/74) und Cassis (C-120/78)<br />

vollzogen (Alter/Meunier-Aitsahalia 1994). Mittlerweile werden alle Grundfreiheiten<br />

einheitlich als Beschränkungsverbot interpretiert. »Das nationale Recht<br />

wird damit weithin einer gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitskontrolle<br />

unterworfen« (Schnei<strong>der</strong> 1996: 515). <strong>Die</strong> nationale Regulierung <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

wird also daraufhin hinterfragt, ob es sich um eine verhältnismäßige Beschränkung<br />

<strong>der</strong> durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten handelt. Es ist<br />

aber nicht immer völlig klar, welche Grenze dieses Beschränkungsverbot den<br />

Mitgliedstaaten setzt beziehungsweise wo wie<strong>der</strong>um die Grenzen des Beschränkungsverbots<br />

liegen (Randelzhofer/Forsthoff 2001, Rz 54; Hatzopoulos 2000:<br />

43f.). <strong>Die</strong>ser Punkt wird weiter unten am Beispiel <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstleistungsfreiheit<br />

wie<strong>der</strong> aufgegriffen.<br />

Der Vertrag bestimmt mit den Grundfreiheiten die Prinzipien <strong>der</strong> <strong>europäischen</strong><br />

Marktintegration. Gleichzeitig legen die Verträge auch Schranken für diese<br />

Freiheiten fest. So steht <strong>der</strong> Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EGV die Schranke<br />

des Art. 30 EGV gegenüber, <strong>der</strong> für die Mitgliedstaaten legitime Bereiche politischer<br />

Gestaltung benennt (beispielsweise öffentliche Ordnung, Gesundheitsschutz),<br />

in denen sie die Marktfreiheiten nicht akzeptieren müssen. <strong>Die</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Grundfreiheiten werden im Vertrag in ähnlicher Weise eingegrenzt. Das Verhältnis<br />

bei<strong>der</strong> Artikel zueinan<strong>der</strong> beschreibt also die Grenze zwischen <strong>europäischen</strong><br />

und nationalen Kompetenzen. Würde <strong>der</strong> EuGH diese Grenze endgültig und<br />

eindeutig definieren, beraubte er sich des Spielraums, durch die Interpretation<br />

des Vertrages <strong>der</strong> <strong>Integration</strong> weitere Impulse geben zu können. Der Fortschritt<br />

<strong>der</strong> Gemeinschaft hinge dann allein an <strong>der</strong> Verabschiedung von Sekundärrecht<br />

im Legislativprozess – auf den die Politikwissenschaft überwiegend ihren Fokus<br />

richtet. Judikative Politik verschiebt jedoch kontinuierlich diese Grenze.

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