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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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150 M a r t i n Hö p n e r u n d ar M i n Sc H ä f e r<br />

Bis heute ist unklar, ob solche »zwingenden Gründe des Gemeinwohls« den<br />

deutschen Gesetzgeber autorisieren, seine Standards <strong>der</strong> Unternehmensmitbestimmung<br />

auf im Land tätige Unternehmen mit ausländischer Rechtsform anzuwenden.<br />

15<br />

Nun sind die Urteile zu Centros, Überseering und Inspire Art nicht die einzigen<br />

europarechtlichen Bedrohungen <strong>der</strong> Unternehmensmitbestimmung. Auch<br />

das Statut zur Europa AG und die Fusionsrichtlinie ermöglichen die Entstehung<br />

mitbestimmungsfreier Zonen. Rechtliche Schlupflöcher bedeuten nicht,<br />

dass Akteure sie tatsächlich nutzen. Bisher haben deutsche Unternehmen mit<br />

ausländischer Rechtsform nur sehr selten mehr als 500 Beschäftigte. An unserer<br />

Interpretation des Problems än<strong>der</strong>t das nichts. Denn unser Vergleichspunkt ist<br />

eine Situation, in <strong>der</strong> die Staaten das Recht für sich beanspruchen konnten, das<br />

Mitbestimmungsverhalten <strong>der</strong> auf ihren Hoheitsgebieten tätigen Unternehmen<br />

zu steuern. Europäische Liberalisierungspolitik hat eine Situation herbeigeführt,<br />

in <strong>der</strong> diese Fähigkeit schwindet. Das realistische Szenario lautet zweifellos nicht,<br />

dass Unternehmen die Mitbestimmung umgehen, sobald <strong>der</strong> Rechtsrahmen dies<br />

ermöglicht. Wir erwarten vielmehr eine langsam aber stetig zunehmende Heterogenität<br />

<strong>der</strong> Mitbestimmungspraktiken in Län<strong>der</strong>n wie Deutschland. <strong>Die</strong>se<br />

Heterogenität wird den Druck auf den Gesetzgeber erhöhen, die Unternehmensmitbestimmung<br />

mittelfristig generell zurückzuführen.<br />

5 Fazit: Legitimitätsdefizite im postricardianischen Europa<br />

Nach <strong>der</strong> weitgehenden Vollendung des Binnenmarktes für Güter ist die europäische<br />

<strong>Integration</strong> in eine neue Phase eingetreten. <strong>Die</strong> <strong>Integration</strong> <strong>der</strong> Gütermärkte<br />

folgte weitgehend dem Prinzip <strong>der</strong> Nichtdiskriminierung. Durch Abbau<br />

von Handelsschranken und faktischen Diskriminierungstatbeständen wurde die<br />

Konkurrenz zwischen nationalen Produktions- und Verteilungsregimen um mobile<br />

Faktoren verschärft. Soweit die hoch regulierten <strong>europäischen</strong> Spielarten<br />

des Kapitalismus dieser Konkurrenz standhalten konnten, ging von <strong>der</strong> <strong>europäischen</strong><br />

<strong>Integration</strong> kein Verän<strong>der</strong>ungsdruck auf die nationalen Arbeits- und<br />

Arbeitskampfrechte, Gesellschaftsrechte, Übernahme- und Mitbestimmungsregeln<br />

aus. <strong>Die</strong>ses Stadium hat die europäische <strong>Integration</strong> hinter sich gelassen. Li-<br />

15 Vergleiche etwa Marcus Creutz im Handelsblatt, 9.11.2005: 37; Martin Henssler in <strong>der</strong> Frankfurter<br />

Allgemeinen Zeitung, 1.2.2006: 23. BDA und BDI argumentieren, eine Übertragung <strong>der</strong><br />

Unternehmensmitbestimmung auf ausländische Rechtsformen verletze die Nie<strong>der</strong>lassungsfreiheit.<br />

Vergleiche dazu die Stellungnahmen von BDA und BDI zum Bericht <strong>der</strong> Kommission zur<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> deutschen Unternehmensmitbestimmung (2006: 56–58).

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