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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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340 S t e p H a n le i b f r i e d u n d He r b e r t ob i n g e r<br />

Urteilen des EuGH – man denke an die jüngere Rechtsprechung zu stationären<br />

medizinischen Behandlungen im EU-Ausland – solche Bedenken durchaus berücksichtigt<br />

wurden. Schließlich brach das europäische Wettbewerbsrecht auch<br />

in die Sozialverwaltung selber ein. Ein Beispiel ist die Beseitigung von öffentlichen<br />

Monopolen im Bereich <strong>der</strong> Arbeitsvermittlung. In an<strong>der</strong>en Bereichen,<br />

so <strong>der</strong> Rentenversicherung, blieben Anbietermonopole vom EuGH hingegen<br />

bislang unangetastet.<br />

Während die nicht marktförmigen Bereiche des Wohlfahrtsstaates von <strong>der</strong><br />

negativen <strong>Integration</strong> in gewissen Grad noch geschützt sind, reichte <strong>der</strong> Souveränitäts-<br />

und Autonomieverlust des Nationalstaates in <strong>der</strong> Wirtschaftspolitik<br />

ungleich weiter. <strong>Die</strong> Schaffung <strong>der</strong> Europäischen Währungsunion (EWU) und<br />

die sie flankierenden Konvergenzkriterien beraubten den Nationalstaat seiner<br />

klassischen geldpolitischen Instrumente, während die Fiskalpolitik durch den<br />

Stabilitäts- und Wachstumspakt in ein engeres Korsett gepresst wurde. Dadurch<br />

brachen nicht nur die klassischen wirtschaftspolitischen Stabilisierungsinstrumente<br />

teilweise weg, son<strong>der</strong>n es wuchs dadurch indirekt auch <strong>der</strong> Druck auf<br />

den Wohlfahrtsstaat als wichtigsten sozialen Stabilisierungspuffer. Da in vielen<br />

Län<strong>der</strong>n mehr als die Hälfte aller öffentlichen Ausgaben für soziale Zwecke aufgewandt<br />

wird, geriet <strong>der</strong> Wohlfahrtsstaat im Zuge <strong>der</strong> Schaffung <strong>der</strong> EWU verstärkt<br />

ins Visier <strong>der</strong> Haushaltskonsolidierung. Es kann daher nicht überraschen,<br />

dass just in den Neunzigerjahren in den verschuldungsgeplagten kontinentalen<br />

Wohlfahrtsstaaten eine Phase restriktiver sozialstaatlicher Politik eingeläutet<br />

wurde (Palier 2006).<br />

Schließlich hat die Marktschaffung zu einer Erosion <strong>der</strong> Nachkriegsbalance<br />

zwischen Arbeit und Kapital beigetragen. Durch den neu geschaffenen gemeinsamen<br />

Binnenmarkt stiegen die Exitoptionen für Kapitaleigner. <strong>Die</strong>s wirkte<br />

über einen verschärften Steuerwettbewerb auf die Einnahmenseite des Wohlfahrtsstaates<br />

zurück und vermin<strong>der</strong>te den verteilungspolitischen Handlungsspielraum<br />

<strong>der</strong> Mitgliedstaaten (Ganghof/Genschel in diesem Band). Der nationale<br />

Wohlfahrtsstaat geriet durch den wirtschaftlichen <strong>Integration</strong>sprozess daher<br />

nicht nur bei den Ausgaben, son<strong>der</strong>n auch auf <strong>der</strong> Einnahmenseite unter Druck,<br />

wobei noch anzumerken ist, dass auch einer Kreditfinanzierung durch europäische<br />

Vorschriften enge Grenzen gezogen wurden.<br />

Insgesamt betrachtet hat sich die bereits bei <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> EG angelegte<br />

Konstruktion einer sozialstaatlich nicht eingehegten Marktintegration<br />

verhärtet. Aus <strong>der</strong> wachsenden Asymmetrie zwischen positiver und negativer<br />

<strong>Integration</strong> (Scharpf 2002; Nachbetrachtung Scharpf in diesem Band) ergeben<br />

sich politisch höchst brisante Spannungen. Das Unterspülen <strong>der</strong> sozialpolitischen<br />

Souveränität und Autonomie des Nationalstaates erhöht zusammen mit<br />

<strong>der</strong> bereits weitgehend erfolgten Beseitigung <strong>der</strong> öffentlichen Daseinsvorsorge,

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