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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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200 n a c H b e t r a c H t u n g V o n li e S b e t Ho o g H e u n d ga r y Ma r k S<br />

dass die Gemeinsamkeiten sich nicht auf konstitutionelle Fragen erstreckten.<br />

Sozialdemokratische Parteien, die zu dieser Zeit in dreizehn von fünfzehn Staaten<br />

regierten, dehnten zwar formal die Kompetenzen <strong>der</strong> EU auf die Bereiche<br />

Beschäftigung, soziale Regulierung, Frauen- und Menschenrechte sowie auf die<br />

Umweltpolitik aus, doch verzichteten sie vielfach darauf, die EU mit Handlungsbefugnisse<br />

auszustatten, die über eine unverbindliche Koordinierung nationaler<br />

Politik hinausgingen. Eine Ursache für ihre Zurückhaltung lag in <strong>der</strong> Uneinigkeit<br />

sozialdemokratischer Parteien. <strong>Die</strong> Koalition des regulierten Kapitalismus<br />

musste sowohl Jospins sozialistische Partei, wie auch Blairs New Labour und<br />

den Dritten Weg umfassen können (Pollack 2000). Ein weiterer Grund ist, dass<br />

Umverteilung stärker auf einem Zusammengehörigkeitsgefühl beruht, als wir<br />

vermutet hatten. Doch ein solches Gemeinschaftsgefühl ist in <strong>der</strong> heutigen EU<br />

relativ schwach ausgeprägt.<br />

Ebenfalls unterschätzt haben wir, zweitens, dass die europäische <strong>Integration</strong><br />

territoriale Konfliktlinien nicht nur entschärfen, son<strong>der</strong>n auch intensivieren kann.<br />

In unserem Text hatten wir betont, wie die europäische <strong>Integration</strong> Diplomatie<br />

in Gesetzgebung, Implementierung und Rechtsprechung transformiert. Wir lagen<br />

vermutlich richtig in unserer Einschätzung, dass innenpolitische Gruppen<br />

mit ähnlicher ideologischer Orientierung grenzübergreifende Koalitionen bilden<br />

würden. Nicht zutreffend war jedoch die Annahme, dass ideologische Konflikte<br />

quer zu an<strong>der</strong>en Themen liegen und dadurch territoriale Konflikte abschwächen.<br />

Das Gegenteil scheint zuzutreffen: <strong>Die</strong> europäische <strong>Integration</strong> hat die<br />

territoriale Politik gestärkt, weil sie sehr heterogene Län<strong>der</strong> in einem politischen<br />

Gemeinwesen zusammenführt (Hooghe/Marks im Erscheinen). 6<br />

Sollten wir den Aufsatz heute noch einmal neu schreiben, würden wir sicher<br />

judikativer Politik mehr Aufmerksamkeit einräumen. <strong>Die</strong> Gerichte haben sich<br />

als Fluch und Segen für das Projekt des regulierten Kapitalismus erwiesen. Der<br />

Fluch liegt im Hang des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Beschränkungen<br />

des Gemeinsamen Marktes auch dann einzureißen, wenn dadurch sozialdemokratische<br />

Errungenschaften in den Mitgliedstaaten gefährdet werden. Ein Segen<br />

ist die Rechtsprechung in den Fällen, in denen <strong>der</strong> EuGH mit seiner Rechtsprechung<br />

Geschlechtergleichheit, regionale Gleichheit, Familien o<strong>der</strong> den Schutz<br />

<strong>der</strong> Umwelt gestärkt hat (Chicowski 2004; Caporaso/Tarrow 2008). Caporaso<br />

und Tarrow argumentierten deshalb, dass »eine Sozialpolitik in <strong>der</strong> EU bereits<br />

existiert, weil marktschaffende und soziale Maßnahmen mit regulativen und redistributiven<br />

Politiken verbunden sind« (Caporaso/Tarrow 2008). Sie übertra-<br />

6 In einem späteren Aufsatz haben wir die Hypothese entwickelt, dass sich ideologische Koalitionen<br />

bilden, wenn Politik ähnliche Verteilungswirkungen in allen Län<strong>der</strong>n haben, wohingegen<br />

territoriale Koalitionen entstehen, wenn diese sich zwischen Län<strong>der</strong>n unterscheiden (Marks<br />

2004).

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