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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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134 M a r t i n Hö p n e r u n d ar M i n Sc H ä f e r<br />

sieht <strong>der</strong> Rat agency drift voraus und setzt deshalb Ex­ante-Kontrollen wie die<br />

Komitologie und unterschiedliche Umsetzungsregeln ein.<br />

Gemeinsam ist allen Ansätzen, die das agency-theoretische Vokabular verwenden,<br />

dass sie die Delegation von Entscheidungsbefugnissen als Lösung für<br />

Glaubwürdigkeits- und Koordinationsprobleme ansehen: Können die principals<br />

die agents ausreichend kontrollieren und verhalten sich letztere wegen längerer<br />

Zeithorizonte umsichtiger als erstere, steigern <strong>der</strong>en Entscheidungen die Problemlösungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Politik; ist die Kommission vor allem Hüterin <strong>der</strong> Verträge<br />

o<strong>der</strong> Regulierungsbehörde, garantiert ihre Unabhängigkeit sachgerechte<br />

Entscheidungen; überwacht <strong>der</strong> EuGH lediglich, dass die aus den Verträgen<br />

hervorgehenden Verpflichtungen eingehalten werden, för<strong>der</strong>n seine Entscheidungen<br />

das Gemeinwohl. Kurz, die Delegation von Befugnissen an die Europäische<br />

Union verspricht aus dieser Perspektive Wohlfahrtsgewinne, die für die<br />

Mitgliedstaaten sonst nicht zu verwirklichen wären.<br />

Unser Argument lautet, dass diese Interpretation zu kurz greift, weil sie nur<br />

die Regelungsebene (Mitgliedstaaten versus EU-Akteure), nicht aber die Regelungsinhalte<br />

(Regulierung versus Liberalisierung) erfasst. Aus politökonomischer<br />

Perspektive sind vor allem die in unterschiedlichen Phasen <strong>der</strong> <strong>Integration</strong> verfolgten<br />

Ziele relevant. We<strong>der</strong> die Kommission noch <strong>der</strong> EuGH beschränken<br />

sich heute noch auf die ihnen ursprünglich zugedachten Aufgaben. Sie sind,<br />

so wollen wir zeigen, zu »Motoren <strong>der</strong> Liberalisierung« geworden, zu Trägern<br />

einer Transformation nationaler Produktions- und Verteilungsregime, die sich<br />

jenseits <strong>der</strong> Reduktion von Transaktionskosten zwischenstaatlicher Koordination<br />

bewegt und die von delegationstheoretischen Perspektiven nicht erfasst wird.<br />

Supranationale Akteure haben Diskriminierungsverbote zur För<strong>der</strong>ung des gemeinsamen<br />

Marktes zu Behin<strong>der</strong>ungsverboten <strong>der</strong> freien Betätigung auf kapitalistischen<br />

Märkten umdefiniert und setzen sie zum gezielten Abbau marktkorrigieren<strong>der</strong><br />

Regulierung ein. »Mehr Europa« impliziert daher häufig eine Stärkung<br />

von Marktkräften gegenüber politischen Belangen in den Mitgliedstaaten. <strong>Die</strong> in<br />

diesem Kapitel diskutierten Liberalisierungsvorhaben wären we<strong>der</strong> als Ergebnis<br />

des politischen Prozesses in den Mitgliedstaaten noch als Ergebnis von Verhandlungen<br />

zwischen ihnen denkbar gewesen. Wer also zu einem tieferen Verständnis<br />

<strong>der</strong> <strong>Integration</strong>sdynamik gelangen will, darf die Augen vor den durch europäische<br />

Politik herbeigeführten Prozessen des Wandels <strong>der</strong> <strong>europäischen</strong> politischen<br />

<strong>Ökonomie</strong>n nicht verschließen. <strong>Die</strong>sen wenden wir uns nachfolgend zu.

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