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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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n e g a t i V e u n d p o S i t i V e in t e g r a t i o n 63<br />

226 EGV). Bei allen diesen Tätigkeiten bedarf es keines Votums des Ministerrates,<br />

und nationale Regierungen sind nur als unmittelbar Verfahrensbeteiligte<br />

involviert. Auf diese Art erzielte die Kommission Fortschritte bei <strong>der</strong> Liberalisierung<br />

immer weiterer bisher geschützter Sektoren: <strong>der</strong> Telekommunikation,<br />

dem Luftverkehr und dem Flughafenbetrieb, dem Güterkraftverkehr, den Postdienstleistungen,<br />

dem Energiemarkt und weiteren <strong>Die</strong>nstleistungen (Schmidt<br />

1998a).<br />

Nach <strong>der</strong> Logik dieser Entscheidungen gibt es nun keinen Bereich des service<br />

public und <strong>der</strong> »Daseinsvorsorge«, die noch dem Einfluss des <strong>europäischen</strong><br />

Wettbewerbsrechts entzogen sind. Angesichts <strong>der</strong> institutionellen Unterschiede<br />

zwischen den Mitgliedstaaten lässt sich immer argumentieren, dass bestehende<br />

nationale Lösungen potenzielle private Konkurrenten aus an<strong>der</strong>en Mitgliedstaaten<br />

diskriminieren. Ebenso wie das Arbeitsvermittlungsmonopol <strong>der</strong> deutschen<br />

Verwaltung durch die Zulassung konkurrieren<strong>der</strong> privater Arbeitsvermittler<br />

eingeschränkt werden musste, 20 werden auch die privilegierte Stellung des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks und Fernsehens 21 (Kleinsteuber/Rossman 1994)<br />

sowie die Gewährleistungshaftung <strong>der</strong> Kommunen und Län<strong>der</strong> für ihre Sparkassen<br />

und Landesbanken 22 von privaten Konkurrenten als Verstöße gegen europäisches<br />

Wettbewerbsrecht angegriffen. Mit <strong>der</strong>selben Begründung könnten<br />

nunmehr private Schulen und Universitäten Wettbewerbsgleichheit mit öffentlichen<br />

Bildungsanstalten verlangen; private Anbieter im Gesundheitswesen könnten<br />

die öffentlichen Gesundheitssysteme in Skandinavien und Großbritannien<br />

ebenso wie die kontinentalen Systeme <strong>der</strong> gesetzlichen Krankenversicherung<br />

infrage stellen; und dieselbe For<strong>der</strong>ung könnten auch private Pensionsfonds gegenüber<br />

Rentensystemen, die aus Steuereinnahmen o<strong>der</strong> Pflichtbeiträgen finanziert<br />

werden, erheben.<br />

Damit soll kein Schreckensszenario entworfen werden; einige dieser Verän<strong>der</strong>ungen<br />

könnten durchaus vorteilhaft o<strong>der</strong> sogar unvermeidlich sein. Ebenso<br />

wenig werden alle diese möglichen Folgen schon bald eintreten. Artikel 90<br />

EGV-M (nun Art. 86 EGV) war schon dreißig Jahre in Kraft, bevor Kommission<br />

und Gerichtshof sich ernsthaft mit dem Service­public-Bereich auseinan<strong>der</strong>zusetzen<br />

begannen; außerdem ist offensichtlich, dass beide sehr vorsichtig vorgehen,<br />

wenn sie auf starken politischen Wi<strong>der</strong>stand treffen (Schmidt 1998a,<br />

1998b). 23 Trotzdem hat sich das europäische Wettbewerbsrecht zu einem mächtigen<br />

Potenzial entwickelt, das nationale Entscheidungen auch dann beeinflusst,<br />

wenn es zu direkten Eingriffen noch gar nicht gekommen ist – sei es durch die<br />

20 Rs. 41/90, Hoefner/Macroton GmbH (1991).<br />

21 Rs. 260/89, ERT/Dimotiki Etairia u.a. (1991).<br />

22 Vgl. hierzu auch Scharpf (1999: Kapitel 5).<br />

23 Vgl. auch Scharpf (1999: Kapitel 5).

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