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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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346 S t e p H a n le i b f r i e d u n d He r b e r t ob i n g e r<br />

<strong>Die</strong> sich akkumulierenden Schwierigkeiten balkanisierter Sozialstaaten zersetzen<br />

allerdings auf lange Sicht auch die europäische Konstruktion selbst.<br />

Asymmetrie als Durchgangsstation? »Niemand verliebt sich in einen Binnenmarkt.<br />

Wir müssen Europa eine Seele geben«, bemerkte Jacques Delors mehrfach<br />

in unterschiedlichen Formulierungen seit 1985 (siehe zum Kontext Aust et<br />

al. 2002: 286; Delors 1993: 61, 116 3 ). Und selbst die eher nüchternen Juristen<br />

sehen heute:<br />

<strong>Die</strong> beson<strong>der</strong>e <strong>Integration</strong>skraft einer regionalen Gemeinschaft ermöglicht die Schaffung eines<br />

gemeinsamen Wirtschaftsraums, <strong>der</strong> aber – wenn er denn auf Dauer funktionieren soll – nicht<br />

allein an wirtschaftlichen Spielregeln ausgerichtet sein kann. (Becker 2005: 13)<br />

Aber wo können wir erwarten, dass in dieses Europa sozialpolitische Breschen<br />

geschlagen o<strong>der</strong> schon bestehende Einbrüche erweitert werden? Wo und wie<br />

könnte die Transformation zu einem <strong>europäischen</strong> Schicksals- und Haftungsverband<br />

einsetzen? Lässt sich aus <strong>der</strong> Geschichte an<strong>der</strong>er Mehrebenensysteme<br />

– wenn wir sie mit <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> EU zusammen denken – etwas darüber<br />

lernen, wo und wie solche Durchbrüche wahrscheinlich sind? Wir werden daher<br />

nun denkbare Wege zu einem »sozialen Europa« aufzeigen. 4 Einige davon sind<br />

kaum wünschenswert und wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e sind wenig realistisch. Abschließend<br />

werden wir daher in Teil 4 darlegen, welche sozialpolitischen Zukunftsszenarien<br />

uns <strong>der</strong>zeit am wahrscheinlichsten erscheinen.<br />

3 Sozialstaatsentstehung in Mehrebenensystemen:<br />

Nationale Lehren und Chancen für Europa<br />

Für die Erklärung gegenwärtiger und die Einschätzung zukünftiger europäischer<br />

Sozialpolitik kann es aufschlussreich sein, sich die Sozialstaatsentwicklung in<br />

den sechs alten OECD-Bundesstaaten in <strong>der</strong> Neuen (Australien, Kanada, USA)<br />

3 Es gibt mehrere Versionen dieses Zitats, die wohl auch aus früheren Reden von Jacques Delors<br />

stammen. Delors tauften die englischen Gewerkschaften, weil er zum Thatcher-Motto querstand,<br />

»Frére Jacques«.<br />

4 Ulrich Becker (2005: 11) drückt das so aus: »Daraus folgt … eine spezifische Asymmetrie:<br />

Bindende wirtschaftliche Vorgaben sind auf <strong>der</strong> supranationalen Ebene angesiedelt, die auch<br />

zur Korrektur <strong>der</strong> Marktergebnisse eingesetzten sozialrechtlichen Normen hingegen verbleiben<br />

auf <strong>der</strong> nationalen Ebene. Ein Ausgleich muss also … über die Ebenen hinweg stattfinden.<br />

<strong>Die</strong>ser Befund ist es, <strong>der</strong> einerseits zu <strong>der</strong> Feststellung geführt hat, Wirtschafts- und Sozialordnung<br />

fielen auseinan<strong>der</strong>, womit <strong>der</strong> ›mo<strong>der</strong>ne Wohlfahrtsstaat‹ seine ›Geschäftsgrundlage‹<br />

(Böckenförde 1999: 105) zu verlieren drohe. Er bildet an<strong>der</strong>erseits aber überhaupt erst das Fundament,<br />

auf dem ein Systemwettbewerb entstehen kann, und wird deshalb von denen begrüßt,<br />

die sich von einem solchen Wettbewerb Vorteile erwarten.«

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