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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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n a t i o n a l e So z i a l S t a a t e n i n d e r eu r o p ä i S c H e n un i o n 339<br />

Politikfel<strong>der</strong> wie die Agrar- und Strukturpolitik, diese haben allerdings wenig mit<br />

einer Sozialpolitik im engen Sinn gemein, sieht man von <strong>der</strong> Kompensation von<br />

(kleinen) Landwirten und ihrer Familien ab. Ein Großteil des Haushalts ist also<br />

in einer »Sozialpolitik mit an<strong>der</strong>en Mitteln« (Castles 1989) gebunden. Wie eine<br />

Umschichtung von Ressourcen hin zu sozialstaatlichen Kernprogrammen gelingen<br />

könnte, ist völlig offen. Paketlösungen und logrolling als übliche Problemlösungsroutinen<br />

zur Umgehung von Entscheidungsblockaden im <strong>europäischen</strong><br />

Mehrebenensystem sind angesichts <strong>der</strong> Finanzvolumina, die auf dem Spiel stehen,<br />

und <strong>der</strong> nationalen Interessendivergenzen <strong>der</strong>zeit ziemlich unrealistisch.<br />

Es überrascht insgesamt daher nicht, dass die Fortschritte, die in <strong>der</strong> <strong>europäischen</strong><br />

Sozialpolitik in den letzten beiden Jahrzehnten unzweifelhaft erzielt<br />

worden sind, praktisch ausschließlich die regulative Sozialpolitik betrafen (vgl.<br />

Keune in diesem Band). Zwei Faktoren sind für diesen Erfolg zu nennen. Zum<br />

einen begünstigte die qualifizierte Mehrheitsregel die Schaffung von Mindeststandards,<br />

zum an<strong>der</strong>en waren dafür auf europäischer Ebene kaum administrative<br />

und finanzielle Ressourcen erfor<strong>der</strong>lich, da die Umsetzung und die damit<br />

verbundenen Kosten den Mitgliedstaaten aufgebürdet wurden. <strong>Die</strong> dabei auf<br />

europäischer Ebene festgelegten Sozialstandards sind durchaus hoch und erzeugten<br />

selbst in vermeintlich hoch entwickelten Wohlfahrtsstaaten Nachholbedarf<br />

(Falkner et al. 2005).<br />

Ungleich rasanter schritt allerdings die von Kommission und vom Europäischen<br />

Gerichtshof (EuGH) vorangetriebene negative <strong>Integration</strong> voran<br />

(Scharpf in diesem Band), die die Souveränität und Autonomie <strong>der</strong> nationalen<br />

Wohlfahrtsstaaten stetig unterspülte und insgesamt ungleich nachhaltigere<br />

Auswirkungen auf die Sozialstaaten <strong>der</strong> Mitgliedslän<strong>der</strong> zeitigte als die positive<br />

<strong>Integration</strong> im Bereich regulativer Sozialpolitik. Gemeint ist die Beseitigung jener<br />

nationalen (sozial-)rechtlichen Vorschriften, welche die vier Grundfreiheiten<br />

beschränken (würden). <strong>Die</strong> Auswirkungen auf die nationalen Sozialstaaten sind<br />

vielfältig und zeigen sich insbeson<strong>der</strong>e (aber keineswegs ausschließlich) in jenen<br />

Segmenten des Sozialstaates, die – wie etwa das Gesundheitswesen – vergleichsweise<br />

stark marktförmig durchsetzt sind (ausführlich hierzu: Leibfried/Pierson<br />

1998; Leibfried 2005; Ferrera 2005). <strong>Die</strong> Mitgliedstaaten haben beispielsweise<br />

die Kontrolle darüber verloren, dass Sozialleistungen auf ihrem Territorium<br />

konsumiert werden, und sie können Sozialleistungen nicht mehr nur auf<br />

ihre Staatsbürger beschränken. Ebenso dürfen nationale Versicherungsträger<br />

die Kostenübernahme einer ambulanten medizinischen Behandlung im EU-<br />

Ausland nicht verweigern. Durch das »Aufbrechen <strong>der</strong> Grenzen <strong>der</strong> nationalen<br />

Sozialsysteme« (vgl. auch Nachbetrachtung Scharpf in diesem Band) können<br />

in den Mitgliedstaaten finanzielle Folgelasten entstehen, die den Bestand nationaler<br />

Sicherungssysteme langfristig in Gefahr bringen, wenngleich in einigen

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