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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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306 M a a r t e n ke u n e<br />

Einführung <strong>der</strong> Kriterien zur Höhe von Inflation, Neuverschuldung und öffentlichem<br />

Schuldenstand. Schließlich hat die innereuropäische Migration, die<br />

seit den Erweiterungsrunden <strong>der</strong> Jahre 2004 und 2007 stark zugenommen hat,<br />

gegensätzliche Effekte. In einigen westlichen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> EU übt sie einen Abwärtsdruck<br />

auf Löhne und Arbeitsbedingungen aus, während sie in an<strong>der</strong>en<br />

zur Lösung <strong>der</strong> Knappheitsprobleme auf dem Arbeitsmarkt beiträgt. In den<br />

östlichen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> EU ist Migration die Exit-Möglichkeit <strong>der</strong> Arbeitnehmer.<br />

Von ihr wird in den Län<strong>der</strong>n mit den niedrigsten Löhnen und den höchsten<br />

Arbeitslosenquoten oft Gebrauch gemacht. Gleichzeitig führt Abwan<strong>der</strong>ung zu<br />

einem Arbeitskräftemangel in bestimmten Branchen, was die Position <strong>der</strong> dort<br />

tätigen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt stärkt.<br />

Obgleich das Entstehen eines <strong>europäischen</strong> – somit in <strong>europäischen</strong> Regelungen<br />

und Politiken verankerten – Arbeitsmarktes nicht erkennbar ist, hat die<br />

europäische Wirtschaftsintegration doch deutliche Auswirkungen auf die nationalen<br />

Arbeitsmärkte. Während sie die national verfügbaren Instrumente verringert,<br />

mit denen negative Auswirkungen <strong>der</strong> <strong>Integration</strong> abgemil<strong>der</strong>t werden<br />

können, ist auf europäischer Ebene bislang kein gleichwertiger Ersatz für diese<br />

Instrumente in Sicht. <strong>Die</strong>se Entwicklungen betreffen nicht nur den Arbeitsmarkt.<br />

Sozialsysteme, die ebenfalls überwiegend national reguliert sind, befinden<br />

sich durch die europäische <strong>Integration</strong> unter einem ähnlichen Anpassungsdruck.<br />

Kann die europäische <strong>Integration</strong> einfach fortgesetzt werden wie bisher<br />

– mit den sozialen Konsequenzen, die sie womöglich für wesentliche Teile <strong>der</strong><br />

Bevölkerung in vielen Mitgliedstaaten hat? <strong>Die</strong>se Frage stellt sich insbeson<strong>der</strong>e<br />

in dem Fall, dass die wirtschaftliche <strong>Integration</strong> nicht zu dem erwarteten Wirtschaftswachstum<br />

führt, das möglicherweise den negativen Druck auf Arbeitsmarkt<br />

und Sozialsysteme zum großen Teil ausgleicht; dann sind eine wachsende<br />

Entfremdung gegenüber dem Thema Europa sowie ein aktiverer Protest gegen<br />

die <strong>Integration</strong> vorstellbar (zu Determinanten des Euro-Skeptizismus siehe<br />

Tiemann in diesem Band). Das mehrheitliche »Non« <strong>der</strong> Franzosen und das<br />

mehrheitliche »Nee« <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>län<strong>der</strong> gegen die Europäische Verfassung sollten<br />

so verstanden werden. O<strong>der</strong>, um es im Stil Karl Polanyis auszudrücken: Der<br />

liberalisierende Charakter <strong>der</strong> <strong>europäischen</strong> <strong>Integration</strong> kann zu einer Gegenbewegung<br />

zugunsten besserer Sozialstandards führen. Ob eine solche Gegenbewegung<br />

sich auf die nationale Ebene konzentrieren wird, um jegliche <strong>Integration</strong><br />

zu unterminieren, o<strong>der</strong> ob sie eher transnational orientiert sein wird, um den<br />

Charakter <strong>der</strong> <strong>europäischen</strong> <strong>Integration</strong> zu verän<strong>der</strong>n, bleibt abzuwarten.<br />

Übersetzt aus dem Englischen von Kerstin Wörster

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