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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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120 S u S a n n e k. Sc H M i d t<br />

richtlinie dem Tätigkeitslandprinzip eine größere Bedeutung ein. Allerdings enthält<br />

sie in Art. 16 auch eine Liste mit Bereichen, in denen die Mitgliedstaaten<br />

<strong>Die</strong>nstleistungsanbietern nicht die Tätigkeitslandregeln vorschreiben dürfen.<br />

Damit gilt hier – durch die Hintertür – doch das Herkunftslandprinzip, denn<br />

eine Harmonisierung ist ja nicht erfolgt.<br />

Wie sich die <strong>Die</strong>nstleistungsrichtlinie letztlich auswirken wird, ist schwer<br />

vorherzusagen. Deutlich ist aber, dass <strong>der</strong> Kompromiss teils als Rückschritt hinter<br />

die Rechtsprechung des EuGH wahrgenommen wird (Editorial Comments<br />

2006). Damit wird fraglich, wie die Kommission in zukünftigen Fällen reagieren<br />

wird, wenn Richterrecht mehr <strong>Integration</strong> bietet, als <strong>der</strong> Legislativprozess verspricht.<br />

Wird sie nach <strong>der</strong> Erfahrung <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstleistungsrichtlinie beispielsweise<br />

im Bereich <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassungsfreiheit darauf verzichten, den durch Richterrecht<br />

geformten acquis communautaire zu kodifizieren? Mehr noch als bei <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstleistungsfreiheit<br />

ist es in diesem Bereich durch die Rechtsprechung des EuGH<br />

in den letzten Jahren zu einer sehr weitgehenden Geltung des EG-Vertrages gekommen<br />

(Trefil 2003), was es Unternehmen erlaubt, sich die »günstigste Rechtsordnung«<br />

(Steindorff 1999) auszuwählen. Interessant in dieser Hinsicht wird<br />

auch <strong>der</strong> angekündigte Legislativprozess für Gesundheitsdienstleistungen, für<br />

den <strong>der</strong> EuGH bereits durch judikative Politik weitgehende Vorentscheidungen<br />

getroffen hat (Greer 2006; Hatzopoulos 2002; Martinsen 2005; Slot 2003; Steyger<br />

2002).<br />

Deutlich wird am Beispiel <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstleistungsrichtlinie, wie judikative und<br />

legislative Politik interagieren, auch jenseits spezieller Fälle, in denen die Kommission<br />

ihren Zugang zu judikativer Politik nutzt, um Legislativvorhaben direkt<br />

strategisch zu beeinflussen. Dabei kann sich die Kommission ebenso wenig<br />

wie die Mitgliedstaaten sicher sein, wie sich <strong>der</strong> EuGH letztlich stellen wird.<br />

Im Kontext <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstleistungsrichtlinie wurde dies deutlich am Vorhaben <strong>der</strong><br />

Kommission, die Bedingungen zur Entsendung von Arbeitnehmern im Vergleich<br />

zur Entsen<strong>der</strong>ichtlinie zu lockern. Aufgrund des Protestes wurde dieser<br />

Plan im Kontext <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstleistungsrichtlinie fallen gelassen. Um dennoch eine<br />

Lockerung voranzutreiben, begann die Kommission 2004 ein Vertragsverletzungsverfahren<br />

gegen die Bundesrepublik, da diese von entsandten Arbeitnehmern<br />

eine Postanschrift des versendenden Unternehmens sowie eine deutsche<br />

Übersetzung <strong>der</strong> relevanten Arbeitsunterlagen (Arbeitsvertrag, Arbeitszeiten<br />

und Lohn) verlangte (TAZ, 14. Juni 2007). Damit wollte die Bundesrepublik<br />

dem Missbrauch in diesem Bereich entgegenwirken. <strong>Die</strong> Kommission wertete<br />

die Maßnahmen aber als Verstoß gegen die <strong>Die</strong>nstleistungsfreiheit. In seinem<br />

Urteil vom Juli 2007 urteilte <strong>der</strong> EuGH dagegen, dass die <strong>Die</strong>nstleistungsfreiheit<br />

nicht dem deutschen Interesse an ausreichenden Kontrollen entgegenstehe<br />

(C-490/04). Abzuwarten bleibt, wie sich dieses Urteil auf die Europäische

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