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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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w a n d e l d u r c H d e n eu r o 427<br />

An<strong>der</strong>s als Vertreter <strong>der</strong> Dezentralisierungsthese vermuten deshalb die Vertreter<br />

des Korporatismus-Ansatzes, dass gerade koordinierte und zentralisierte<br />

Lohnfindungssysteme in <strong>der</strong> Lage sind, makroökonomische Zielvariablen über<br />

die Festlegung aggregierter Zwischenziele (wie Reallohnverän<strong>der</strong>ungen) zu steuern<br />

und sich dabei auch mit <strong>der</strong> Finanz- und Geldpolitik koordinieren zu können<br />

(zum Beispiel Streeck/Schmitter 1985; Lehmbruch/Schmitter 1982; Schmitter/<br />

Lehmbruch 1979; zur Interaktion mit <strong>der</strong> Geld- und Finanzpolitik siehe auch<br />

Hall/Franzese in diesem Band). Das zentrale Argument stellt darauf ab, dass<br />

kleine Gewerkschaften untereinan<strong>der</strong> eine inflationär wirkende Lohnkonkurrenz<br />

erzeugen (»leapfrogging«, siehe Scharpf 1987: 219), und findet in mehreren empirischen<br />

Untersuchungen starken Rückhalt – zumindest für die Siebziger- und<br />

frühen Achtzigerjahre, einem Zeitraum mit überdurchschnittlichen Inflationsraten<br />

(Bruno/Sachs 1985; Cameron 1984; Crouch 1985). Im hier diskutierten<br />

Zusammenhang liegt die Vermutung nahe, dass <strong>der</strong> korporatistische Mechanismus<br />

gerade in Phasen konjunktureller Überhitzungen zur Anwendung kommt.<br />

<strong>Die</strong> Frage, ob also ein Lohnfindungssystem aus institutioneller Warte in <strong>der</strong> Lage<br />

ist, bei einer zyklischen Überhitzung stabilisierend zu operieren, hängt davon ab,<br />

ob es <strong>der</strong> Organisationsgrad zulässt, dass sich die einzelnen Akteure entgegen<br />

<strong>der</strong> Marktlogik eines dezentral organisierten Lohnfindungssystems verhalten.<br />

Neben dem internen Organisationsgrad ist allerdings auch die Frage entscheidend,<br />

ob die Tarifparteien bereit sind, die stabilitätspolitischen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Binnenwirtschaft zu berücksichtigen. <strong>Die</strong>se Frage rückt das Verhältnis<br />

zwischen <strong>der</strong> Regierung und den Tarifpartnern in den Vor<strong>der</strong>grund. <strong>Die</strong><br />

Vermutung liegt nahe, dass vor allem die Gewerkschaftsseite Lohnzurückhaltungen<br />

nur akzeptieren wird, wenn sie unter direktem Einfluss einer Regierung<br />

steht, die ein Interesse an <strong>der</strong> zyklischen Stabilisierung hat. Nur durch eine solche<br />

direkte Beziehung können beispielsweise Tauschgeschäfte getätigt werden<br />

(political exchange, vgl. Pizzorno 1978).<br />

<strong>Die</strong> beiden Kriterien – Koordinierungsgrad <strong>der</strong> Lohnpolitik und Regierungseinfluss<br />

– lassen sich leicht operationalisieren. Grundlage ist <strong>der</strong> weit verbreitete<br />

Datensatz von Golden/Wallerstein/Lange (1997). Der Koordinierungsgrad des<br />

Lohnfindungssystems wird anhand <strong>der</strong> Variablen CONIN zur Rolle <strong>der</strong> Gewerkschaftsdachverbände<br />

in den Lohnverhandlungen gemessen. <strong>Die</strong> fehlenden<br />

Werte des Golden/Wallerstein/Lange-Datensatzes wurden anhand einer Auswertung<br />

von Artikeln in <strong>der</strong> European Industrial Relations Review ergänzt.<br />

<strong>Die</strong> Variable GOVIN bildet den Regierungseinfluss auf die Lohnverhandlungen<br />

direkt ab und kann daher für die Bildung des Indikators komplett übernommen<br />

werden. Der Regierungseinfluss wird dort auf einer Skala von 1 bis<br />

15 eingeordnet, wobei höhere Werte für höheren Regierungseinfluss stehen. Da<br />

hier eine binäre Einordnung erfolgen soll, ist die Definition eines Schwellen-

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